Standard: Wie wird Software den Maschinenbau verändern?
Freiseisen: Computergesteuerte Werkzeugmaschine kennen wir schon lange, allerdings mit nur sehr eingeschränkten Möglichkeiten. Noch bis vor Kurzem nutzte man solche Steuerungen hauptsächlich zur einfachen Überprüfung von Messdaten zur Abarbeitung von fix vorgegebenen Arbeitschritten. Jetzt eröffnet sich aber die Chance, wesentlich komplexere Aufgaben tatsächlich in die Maschinensteuerung zu integrieren, etwa zur Erhöhung der Flexibilität in der Produktion.

Standard: Warum war das bisher nicht möglich?
Freiseisen: Erstens: Bislang scheiterten wir schon an den begrenzten Hardware-Ressourcen. Eine Steuerung wie Crashguard wäre noch vor drei, vier Jahren unmöglich gewesen, weil es schlicht an Rechenkapazität fehlte. Durch leistungsfähigere Prozessoren können wir komplexere Anwendungen in Angriff nehmen. Zweitens: Mindestens ebenso entscheidend ist die Weiterentwicklung algorithmischer Lösungsverfahren. Ohne neue, effiziente Algorithmen sind die Aufgaben, mit denen wir heute konfrontiert sind, kaum zu lösen.

Standard: Ein Beispiel?
Freiseisen: Bisher wurde eine Werkzeugmaschine durch starre Arbeitsschritte gesteuert, ohne aber auf den Fertigungsprozess selbst reagieren zu können. Etwa in der Bearbeitungsstrategie und der Frage, wie viel Material abgetragen wird: Mehr, um den Prozess zu beschleunigen? Weniger, um Probleme zu vermeiden? Solche Fragen könnte eine intelligente Maschine in Zukunft selbst entscheiden. Unsere Vision sind weit gehend autonome Systeme, die sich in Fragen der Ressourcenplanung, der Ablaufplanung oder der Bearbeitungsstrategien in einem wesentlich größeren Ausmaß als bisher selbst organisieren.

Standard: Welche System-Architekturen sind notwendig? Freiseisen: Neue Steuerungen müssen in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen. Crashguard ist im Grunde auch ein Entscheidungssystem. Um Entscheidungen fällen zu können, muss man parallel zum Prozess ein virtuelles Modell des Prozesses in der Maschinensteuerung laufen lassen, das mit den realen Daten permanent abgeglichen wird. Diese enge Verknüpfung von Virtualität und Realität sehen wir als Schlüssel für neue Möglichkeiten in der Automatisierung. (hon/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 4.10. 2006)