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"Deutschlands Zukunft hängt auch davon ab, dass es ein Land der Ideen ist", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede zum Tag der deutschen Einheit.

AP Photo/Fabian Bimmer
Kiel - In den 16 Jahren seit der Wiedervereinigung hat sich in Deutschland viel getan, doch bis die Einheit auch wirtschaftlich vollendet ist, kann es noch Jahre dauern: In dieser Einschätzung stimmten die meisten Politiker und Experten zum diesjährigen Tag der deutschen Einheit überein. Zu den zentralen Feierlichkeiten mit Schiffsparaden und Bürgerfest kamen am Dienstag tausende Menschen nach Kiel. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gab in ihrer Festrede als Ziel aus, dass Deutschland wieder an die Spitze in Europa kommen müsse: "Mit Mut und Ideen die Zukunft angehen".

Im Beisein von Bundespräsident Horst Köhler und den führenden Repräsentanten aus Staat und Gesellschaft nannte sie als Ziele für die Zukunft ausgeglichene öffentliche Haushalte, eine moderne Arbeitsmarktpolitik, die Vereinfachung des Steuerwesens, die Reform des Gesundheitssystems und die Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. "Deutschlands Zukunft hängt auch davon ab, dass es ein Land der Ideen ist", sagte die Kanzlerin.

Beeindruckt

Merkel zeigte sich beeindruckt, dass 16 Jahre nach der Vereinigung von Ost und West "jemand wie ich, Frau aus der ehemaligen DDR, dem wiedervereinten Deutschland als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland dienen darf". Nach zehn Monaten Amtszeit sei das zwar einerseits schon so etwas wie Alltag, andererseits aber "doch wieder etwas ganz Außergewöhnliches".

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) rief die Deutschen als Bundesratspräsident und Gastgeber der Feierlichkeiten auf, stolz auf ihre Leistungen im Prozess der deutschen Einheit zu sein. Respekt verdiene sowohl, wie die Menschen im Osten die Ärmel aufgekrempelt hätten, als auch die bewundernswerte Solidarität im Westen.

SPD: Noch nicht alles erreicht

Das SPD-Präsidium nannte in einer Erklärung den gemeinsamen Alltag in Ost und West Beweis dafür, "wie viel wir bei der Überwindung der Teilung schon geschafft haben". Jedoch sei noch nicht alles erreicht, und die Arbeitslosigkeit sei in Ostdeutschland immer noch doppelt so hoch wie in den alten Ländern. Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Ulrich Blum, sagte voraus, der Aufbau Ost könne noch bis zu 40 Jahre dauern. In der "Passauer Neuen Presse" warf er der Bundesregierung zugleich vor, zu wenig für die Entwicklung im Osten zu tun.

Altbundeskanzler Helmut Kohl vertrat dagegen in der "Rheinischen Post" die Ansicht, seine Vorhersage "blühender Landschaften" sei inzwischen erfüllt. Allerdings fühlen sich die weitaus meisten Ostdeutschen noch immer als Bürger zweiter Klasse. Bei einer Emnid-Umfrage für den Sender N24 bejahten 74 Prozent diese Einschätzung, nur 26 Prozent gaben an, sich als vollwertige Bürger akzeptiert zu fühlen.

"Noch tiefe und trennende Gräben"

Der katholische Erzbischof von Hamburg, Werner Thissen, beklagte bei einem Ökumenischen Gottesdienst in Kiel, dass immer noch "tiefe, trennende Gräben verlaufen zwischen West und Ost" und die volle Einheit noch nicht erreicht sei. "Das ist ein Skandal", sagte der Geistliche im Beisein von Köhler und Merkel.

Der für den Aufbau Ost zuständige Bundesminister Wolfgang Tiefensee bekannte sich im ARD-Morgenmagazin zur Fortsetzung des Solidarpakts bis zum Jahr 2019. Dafür stelle die Bundesregierung 156 Milliarden Euro zur Verfügung. "Aber es fällt einer Reihe von Bundesländern noch schwer, dieses Geld zielgenau einzusetzen", kritisierte der SPD-Politiker. Diese Länder müssten "so schnell wie möglich auf den Pfad der Tugend kommen". (APA/AP/dpa)