Budapest - Ungarns Regierungschef Ferenc Gyurcsany hat der
rechtskonservativen Opposition "Erpressung" vorgeworfen. Das von
Oppositionsführer Viktor Orban angekündigte 72-stündige Ultimatum zur
Ablöse des Regierungschefs durch das Parlament könne man "nicht zum
Instrumentarium der demokratischen, parlamentarischen Politik
zählen", sagte Gyurcsany in einem Interview mit der linksliberalen
Tageszeitung "Nepszabadsag" (Dienstagausgabe). Gleichzeitig
bekräftigte er: "Auf diese Regierung kann man von der Straße aus
keinen Druck ausüben. Diese Parlamentsmehrheit kann man nicht
erpressen."
Gyurcsany forderte die größte Oppositionspartei Fidesz-Ungarischer
Bürgerverband auf, die demokratischen Spielregeln zu respektieren und
übte heftige Kritik an deren Verhalten: "So weit sollten wir nicht
kommen, dass der Anführer der Opposition Drohungen darüber
ausspricht, was passieren wird, wenn der Regierungschef nicht geht.
Meiner Meinung nach müssten solche Aussagen einen Demokraten empören.
Einer Opposition, die dauernd aus dem Rahmen der
Verfassungsdemokratie heraustritt oder das wenigstens versucht,
sollten wir nicht die Möglichkeit übertragen, an die Regierung zu
kommen."
Vertrauensabstimmung
Der sozialistische Regierungschef hatte eine Vertrauensabstimmung
für Freitag angekündigt, bei der die Parlamentsmehrheit auch über ihn
als Person abstimmen soll. Fidesz-Chef Orban hat dies als "billigen
Trick" bezeichnet und der Regierung seinerseits ein "Ultimatum"
gestellt. Sollte Gyurcsany nicht bis Donnerstag 13.00 Uhr
zurücktreten, würde die Opposition am Freitag demonstrierend vor das
Parlament ziehen.
Die Kommunalwahlen vom Sonntag hatten mit einer Niederlage der
regierenden Sozialisten (MSZP) und Liberalen (SZDSZ) geendet.
Daraufhin hatte Orban die Legitimität der erst im Frühjahr
wiedergewählten Regierung in Frage gestellt. Das Kabinett hatte zuvor
rigide Sparmaßnahmen eingeführt. Außerdem hatte ein Tonband vom Mai
für einen Skandal gesorgt, auf dem Premier Gyurcsany in einer
internen Rede vor sozialistischen Fraktionskollegen über die
Notwendigkeit von Reformen sprach und dabei "Lügen" in den
vergangenen Jahren einräumte. (APA)