Februar 1943. Ein isoliertes Gebirgstal, wo fast nur Bergbauern leben. Die meisten Söhne und Knechte im wehrfähigen Alter sind eingerückt; an ihrer Stelle arbeiten Kriegsgefangene und so genannte Zivilarbeiterinnen aus dem Osten. In Ausnahmefällen (...) ist es möglich, dass einer der Söhne daheim bleibt. Seit fast zwei Jahren hält sich ein Mann namens Santner, der vom Krieg desertiert ist, in dieser Gegend versteckt, vorwiegend in Höhlen, die von Einheimischen ‚Heidenlöcher‘ genannt werden.

 

Nur drei Leute im Tal wissen von seiner Existenz.“ Mit diesem nüchtern formulierten Text beginnt einer der wichtigsten österreichischen Kinospielfilme der 80er-Jahre, der nichts von seiner Kraft verloren hat. Weiße Handschrift auf schwarzem Grund hält die Fakten fest und reduziert wie die folgenden Bilder die Erzählung aufs Wesentliche. Reduktion wird die Stärke nicht nur dieses Films sein, sondern auch Charakteristikum dessen, was man bald als „Neuen Heimatfilm“ bezeichnet: Klarheit in Stil und Form, präzise Beobachtung von Arbeitsabläufen und sozialen Strukturen, Gewissenhaftigkeit in der Inszenierung von Räumen und Landschaften.

Die Dorfgemeinschaft in diesem Salzburger Tal ist längst aus den Fugen: Während die Männer in Russland kämpfen, leben polnische und französische Gefangene in einer Baracke am Dorfrand und sind den Bauern als Hilfsarbeiter zugewiesen. Nur der junge Ruap muss gegen seinen Willen zu Hause bleiben, während der Vater den Deserteur heimlich mit Essen versorgt.

Wolfram Paulus, der für Drehbuch, Schnitt und Regie verantwortlich zeichnet, dokumentiert das Geschehen eher als er es inszeniert, flicht den auf einer wahren Begebenheit beruhenden „Fall Santner“ in eine Bestandsaufnahme des gesamten Umfelds ein. Das strenge, kontrastreiche Schwarzweiß entspricht dabei dem Rhythmus des Films, der abrupt Schauplätze wechselt, während die Geschehnisse auf den Gesichtern der fast ausschließlich mit Laien besetzten Figuren nachwirken.

Die inszenatorische und atmosphärische Dichte korreliert mit der Enge der Räume: Nie bekommt man das Dorf als ganzes zu sehen.

Die Verbindung zwischen den Orten ist denkbar lose, erst die Arbeit der Menschen weist ihnen ihre Funktion zu: Im Wald wird Holz gemacht, in der Baracke geschlafen, gegessen. Obwohl Paulus hauptsächlich mit statischen Aufnahmen arbeitet, entwickelt Heidenlöcher eine ungeheure Dynamik, doch diese kommt aus den Bildern selbst.

Am Ende fordern Enttäuschung und Verrat ihr Opfer, nur das letzte Bild verweist auf die Möglichkeit der Flucht: Mit Schneeschuhen, die er ebenso gewissenhaft repariert hat, wie er seiner Zwangsarbeit nachgegangen ist, erreicht der polnische Kriegsgefangene den verschneiten Pass. Ganz kurz bleibt er stehen. Dann macht er sich auf den Weg hinunter ins nächste Tal.

Michael Pekler, Filmpublizist („Falter“), Katalogredakteur der Viennale, Redakteur („Ray Kinomagazin“, „kolik.film“)