Auch Experten halten eine Überrundung der Blauen durch die Grünen für durchaus noch machbar.

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Alle Hoffnung haben sie noch nicht fahren lassen, dass sie auch ihr letztes und wohl größtes Wahlziel doch noch schaffen: Platz drei sahen die Grünen am Tag nach der Wahl noch immer in "ziemlich realistischer" Griffweite: "Es wird ein Mandat wandern", brachte ein Parteistratege die Stimmung in der Partei im Gespräch mit dem Standard auf den Punkt - felsenfest davon überzeugt, "dass wir vorne sein werden". Platz drei wäre in jedem Fall "eine besondere Genugtuung. Das war uns auch ein Anliegen für die politische Kultur in diesem Land", hieß es bei den Grünen.

Vorne heißt vor der FPÖ - und nach der Auszählung der Wahlkarten (am 9. Oktober), die traditionell guter Boden für grüne Hoffnung ist. Schon bei der Nationalratswahl 2002 hat die Ökopartei ein Mandat aus Wahlkarten dazubekommen. Diesmal rechnen die Grünen mit einem zusätzlichen Mandat sicher, ein zweites Mandat über Wahlkarten scheint durchaus möglich. Das eine wird höchstwahrscheinlich vom BZÖ kommen. Dass das orange Bündnis noch rausfliegen könnte, glaubt man bei den Grünen übrigens nicht. Ebenso wenig wie man dort noch ernstlich mit einer grünen Regierungsbeteiligung spekuliert.

Die grünen Hoffnungen auf Platz drei haben dagegen ganz gute Chancen, auch wahr zu werden. Statistiker Erich Neuwirth von der Uni Wien hält es für "durchaus möglich", dass die Grünen die Blauen doch noch überholen. 2002 lagen die Grünen bei den Nicht-Wahlkarten-Wählern um 55.000 Stimmen hinter der FPÖ, bei den Wahlkartenstimmen aber um 29.000 vor der FPÖ. Heuer fehlten den Grünen am Wahlsonntag nur mehr 32.000 Stimmen - die sie durch die Wahlkarten noch bekommen könnten.

Vom BZÖ könnte sich dann ein Mandat zu Grün verschieben, wenn die Grünen bei Kartenwählern wieder um rund zehn Prozentpunkte besser liegen, und das BZÖ ähnlich wie die FPÖ 2002 abschneidet (die 0,15 Punkte gegenüber dem Wahlabend verlor).

Grün-interne Rechnungen weisen für die eigene Partei diesmal Richtung 11,2 bis 11,22 Prozent (2002: 9,5 Prozent). Aber schon das vorläufige Ergebnis der Nationalratswahl 2006 mit 10,5 Prozent (Stand Sonntagabend) ist für die Grünen ein "Riesenerfolg. Wir sind die einzigen Wahlgewinner", hieß es am Montag aus der Partei. Man habe das Wahlergebnis "mit großer Freude" angenommen und gehe nun, einen "historischen Erfolg" im Rücken "mit großer Zuversicht" in die kommende Legislaturperiode, wo es darum gehen werde, "eine erstarrte große Koalition aus der Opposition zu kontrollieren".

Erstarrtes Rot-Schwarz

Natürlich mit Langzeitparteichef Alexander Van der Bellen an der Spitze. Es gebe überhaupt keine Veranlassung mit diesem Wahlergebnis über einen Generationswechsel oder sonstige Änderungen in der Führungsriege nachzudenken, wehrten die Grünen jegliche Personalspekulationen ab. "Wir sind auf einem guten Weg unterwegs und werden den weitergehen." Van der Bellen habe die Partei mit 4,7 Prozent übernommen und sie ist jetzt auf über 11 Prozent. "Ein stetiger Aufwärtsprozess, 34 von 36 Wahlen haben wir gewonnen."

Die 20 künftigen (noch ohne Wahlkartenmandat) Nationalratssitze (bisher 18) werden die Grünen mit fünf neuen Parlamentariern (vier Frauen, ein Mann) beschicken, darunter der Arbeiterkammer-Budgetexperte Bruno Rossmann. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.10.2006)