Es ist noch nicht allzu lange her, da gab es kaum einen roten Funktionär oder Sympathisanten, der sich nicht darüber beklagte, dass Österreich "schwarz eingefärbt" sei. Die Bundesländer, der ORF, das Kanzleramt, der Vorsitz im Nationalrat, die Landeshauptleute-Konferenz - überall ÖVP-Gewährsleute.

Spätestens seit Sonntag ist alles anders. Die Machtbilanz hat sich wieder verschoben - und zwar deutlich. Wo einst schwarze Hegemonie herrschte, hat nun wieder die "Linke" das Sagen.

Angekündigt hat sich das schleichend: Zuerst gelang es der SPÖ, zwei "schwarze" Kernländer umzudrehen: 2004 übernahm Gabi Burgstaller Salzburg, 2005 Franz Voves die Steiermark. 2004 war auch das Jahr, als Heinz Fischer, ehemals Parteivizechef der SPÖ, inzwischen unabhängig, in die schwarze Hofburg einzog.

Als nächstes eroberten die SPÖ-Stiftungsräte mit einer "Regenbogenallianz" aus Grünen, FPÖ, BZÖ und Unabhängigen den Küniglberg und installierten als ORF-Generaldirektor ihren Kandidaten Alexander Wrabetz.

Nach der Nationalratswahl sind nun das Hohe Haus und der ORF dran. Durch die Machtverschiebung im Parlament - und möglicherweise bald an der Regierung - kommt es zu wesentlichen personellen Neubesetzungen. Sie haben zur Folge, dass Österreichs Schlüsselpositionen demnächst allesamt in roter Hand sind.

Vor allem im Parlament gilt es, Spitzenpositionen neu zu besetzen. Die ÖVP hat durch den Verlust der ersten Position am Wahlabend auch den Vorsitz im Hohen Haus verloren. Damit wird die formal zweithöchste Position der Republik vakant - und rot.

Allgemein wird damit gerechnet, dass Andreas Khol das Parlament verlässt. Den Zweiten Präsidenten werde er wohl nicht machen, heißt es in der ÖVP. Seine Nachfolge könnte die jetzige Zweite Präsidentin und SPÖ-Frauenvorsitzende, Barbara Prammer, einnehmen. Für das Amt des Zweiten Nationalratspräsidenten werden von ÖVP-Seite ebenfalls vor allem Frauen genannt: Bildungsministerin Elisabeth Gehrer ebenso wie Justizsprecherin Maria Fekter.

Das künftige Präsidium könnte damit rein weiblich werden: Die FPÖ, die als drittstärkste Kraft Anspruch auf dieses Amt hat, überlegt, als Dritte Nationalratspräsidentin Barbara Rosenkranz zu nominieren. Sollten es die Grünen mittels Wahlkarten noch auf Platz drei schaffen, gilt Justizsprecherin Terezija Stoisits als mögliche Kandidatin.

"Erröten" wird auch der ORF-Stiftungsrat. Derzeit stellt die ÖVP die meisten Mitglieder im obersten ORF-Aufsichtsratsorgan. Nach dem Wahlsieg der SPÖ dürfte nun diese relative Mehrheit an die Sozialdemokraten verloren gehen (siehe auch Artikel auf Seite 11).

Fischers Fahrplan

In den Bundesländern ist die schwarze Vorherrschaft schon längst gebrochen, da vier von neun Bundesländern mittlerweile fest in SPÖ-Hand sind. Auch die ÖVP stellt nur vier Landeshauptleute, Kärnten ist seit Langem schon "blau" beziehungsweise "orange" regiert. Die Vormacht der SPÖ in der Steiermark und auch in Salzburg wurde durch die Nationalratswahlen zudem massiv gestärkt. Im Bundesrat hat die SPÖ seit den vielen gewonnenen Landtagswahlen auch die Mehrheit.

Bis die Weichen in Richtung SPÖ-dominierter Regierung gestellt sind, müssen allerdings noch einige formale Schritte getan werden. Zunächst tritt bereits heute, Dienstag, die bisherige Regierung zurück. Kanzler Wolfgang Schüssel wird die Demission seines Kabinetts dem Bundespräsidenten unterbreiten, Heinz Fischer wird sie annehmen und Schüssel gleichzeitig mit der Fortführung der Amtsgeschäfte bis zur Angelobung der neuen Regierung betrauen.

Fischer hat für Dienstag und Mittwoch bereits Gespräche mit den Parteichefs der alten und neuen Parlamentsparteien in Aussicht gestellt.

Der nächste wichtige Termin ist der kommende Montag. An diesem Tag werden die Wahlkarten fertig ausgezählt sein. Dann wird endgültig feststehen, ob das BZÖ tatsächlich im nächsten Nationalrat vertreten ist - und ob sich eine rot-grüne Mehrheit rein rechnerisch ausgeht (siehe auch Aritkel Seite 6). Erst wenn das fix ist, will der Bundespräsident Alfred Gusenbauer den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Dies wird voraussichtlich erst am 10. Oktober der Fall sein, neun Tage nach der Wahl. Die Bundeswahlbehörde tagt am 11. Oktober noch einmal routinemäßig, um "amtlich" festzustellen, welche Parteien nun tatsächlich in den Nationalrat einziehen dürfen.

Gusenbauer selbst hat bereits am Wahlabend angekündigt, dass er sich bemühen wird, innerhalb von sechs Wochen ein Regierungsteam zu nominieren.

Fix ist mittlerweile auch der Tag, an dem sich der neu gewählte Nationalrat konstituieren wird. Am Montag, den 30. Oktober, werden alle 183 Abgeordnete angelobt. Sie werden dann auch gleich das Präsidium wählen, an dessen Spitze erstmals in der Geschichte mit Barbara Prammer eine Frau stehen wird. Eine "rote" noch dazu. (DER STANDARD, Print, 3.10.2006)