Stockholm - Der mit umgerechnet rund 1,1 Millionen Euro dotierte Nobelpreis für Physiologie und Medizin 2006 geht an die beiden US-RNA-Forscher Univ.-Prof. Dr. Andrew Z. Fire (Stanford University/Kalifornien, geb. 1959) und Univ.-Prof. Dr. Craig C. Mello (University of Massachusetts Medical School in Worcester, geb. 1960).

Das Nobelpreiskomitee begründete seine Entscheidung damit, dass die Wissenschafter bei ihren Arbeiten entdeckt hätten, wie doppelsträngiges RNA-Erbgut über einen mittlerweile RNA-Interferenz (RNAi) genannten Prozess gezielt die Aktivität von Genen unterdrücken kann. Österreichische Experten auf diesem Gebiet äußerten sich zufrieden über die Zuerkennung der Auszeichnung an die beiden US-Wissenschafter.

Neuer Mechanismus der Gen Regulation

"Diese Entdeckung enthüllte einen neuen Mechanismus für die Gen-Regulation. Die biochemischen Mechanismen, die dabei involviert sind, spielen eine Hauptrolle bei essenziellen Prozessen in Zellen", hieß es in der Begründung für die Zuerkennung des Preise. RNAi schütze vor Infektionen mit RNA-Viren - speziell bei Pflanzen und wirbellosen Tieren. RNA-Interferenz sichert aber auch die Stabilität der Erbsubstanz von Zellen und Organismen.

Erstmals 1998 veröffentlicht

Fire und Mello veröffentlichten ihre ersten Arbeiten zur RNA-Interferenz im Jahr 1998 in der britischen Wissenschaftszeitschrift "Nature". "Das ist toll. Und es ging so schnell", zeigte sich am Montag die Wiener RNA-Forscherin Univ.-Prof. Dr. Renee Schröder von den Max Perutz Laboratories begeistert über die Auswahl, die das Nobelpreiskomitee in diesem Jahr getroffen hat.

RNAi am Fadenwurm erkannt

Renee Schröder über den Kernpunkt der Entdeckung der beiden US-Wissenschafter von der Stanford University in Kalifornien (Fire) und von Massachusetts Medical School (Mello): "Fire und Mello haben in Experimenten die RNAi am Fadenwurm C. elegans erkannt. Es zeigt sich, dass in allen höheren Lebewesen ein doppelsträngige RNA eine Art Alarmsignal darstellt. Sie wird daher abgebaut. Allerdings legt sie dabei auch alle der RNA entsprechende Gene still."

Kräftige Petunien

Den Erkenntnissen von Fire und Mello gingen jahrelange Forschungen anderer Wissenschafter voran. Dr. Philipp Leuschner (Arbeitsgruppe von Javier Martinez am Institut für Molekulare Biotechnologie in Wien): "Einer dieser Wissenschafter (Jorgensen, Anm.) wollte Petunien mit einer besonders kräftigen Farbe schaffen.

Er konstruierte daher Pflanzen, bei denen das entsprechende Gen besonders stark aktiv war. Doch der gegenteilige Effekt stellte sich ein. Diese Petunien blieben ziemlich farblos." Offenbar hatte die Überexprimierung der Erbinformation das Gen inaktiviert.

Leuschner: "Die Arbeiten von Fire und Mello haben schließlich 1998 die Fachwelt aufgerüttelt. Sie haben C. elegans-Würmern doppelsträngige RNA injiziert. Damit wurde das Gen mit der zur RNA komplementären DNA unterdrückt." Der dahinter liegende Mechanismus: Doppelsträngige RNA kommt in höheren Zellen nicht vor - außer bei der Infektion mit bestimmten Viren mit solcher Erbsubstanz.

Abbaumechanismus

Taucht sie also auf, wird ein Abbaumechanismus gestartet. Ein DICER-Protein zerstückelt die RNA, es entsteht ein Abbaukomplex, der dann aber auch gleich die Übersetzung ähnlicher oder gleicher Gene blockiert.

Revolutionäre Entdeckung

Der Wiener Wissenschafter über die Bedeutung dieser Arbeiten: "Es gab da eine Revolution wie nach der Erfindung der Polymerase-Kettenreaktion (PCR, Anm.), mit der man binnen kürzester Zeit ein Gen vermehren kann. Mit der RNAi kann man in Zellen binnen Stunden ein Gen ganz gezielt lahm legen."

Basis für Untersuchungen

Das ist die Basis dafür, die Funktion einzelner Erbgutbestandteile zu untersuchen. Natürlich könnte das in Zukunft auch für die Medizin wichtig sein. Leuschner: "In der Medizin könnte es damit die Möglichkeit geben, ein mutiertes Gen, das bei einer Krankheit überexprimiert ist, gezielt abzuschalten. Einfach, indem man die passenden siRNAs verabreicht."(APA)