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David Cameron wirkt wie ein Regierungschef in Warteposition.

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Vor einem Jahr eroberte David Cameron die Herzen der Tories, seit Sonntag leitet der Hoffnungsträger im südenglischen Bournemouth erstmals einen Parteitag. Dabei wirkt der Star der britischen Konservativen bereits wie ein Regierungschef im Wartestand.

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Wenn britische Parteien die Richtung ändern, ändern sie als Erstes ihre Erkennungszeichen. Die Labour-Partei hat es vorexerziert, als sie sich zu New Labour wandelte und die rote Fahne gegen eine neutralere Rose eintauschte. Nun probieren es auch die Konservativen mit einem neuen Logo: Die Freiheitsfackel, eingeführt von Ex-Premier Margaret Thatcher, muss nach kurzem Hin und Her weichen. An ihre Stelle tritt eine futuristische Eiche, blauer Stamm, grüne Farbkleckse an Stelle der Äste. Ein Symbol, das nach offizieller Lesart für Stärke und Ausdauer, Wachstum und Erneuerung stehen soll.

Unterhaltungstalent

Erneuerung, das ist das Schlüsselwort, dem David Cameron seinen Blitzstart verdankt. Vor zwölf Monaten eroberte er die Herzen der Tory-Delegierten im Sturm, als er sie mit einer Rede verzauberte, die zwar vage blieb, stilistisch jedoch die Qualitäten eines hochkarätigen Entertainers verriet. Mit so einem Zugpferd, hofften die Konservativen, könnten sie endlich wieder eine Wahl gewinnen, nachdem Tony Blairs New Labour sie dreimal deklassierte. Jetzt, da der 40-Jährige seinen ersten Parteikongress als Vorsitzender bestreitet, sitzt er so fest im Sattel wie kein Tory-Chef mehr seit Thatcher.

Auf den ersten Blick ist es wie mit dem Millionenerben, der plötzlich den Kumpel von nebenan geben soll. Auf dem Papier ist Cameron nämlich das, was man in England einen Toff nennt: ein feiner Pinkel, mit dem Silberlöffel im Munde geboren. Standesgemäß hat er in Oxford studiert. Dort war er eingetragen im Bullingdon Club, einer Runde verwöhnter Jüngelchen, deren Zechgelage Stadtgespräch sind. Sein Ururgroßvater ist kein Geringerer als König William IV., seine Ururgroßmutter eine Mätresse des unpopulären Monarchen.

Symbolisch in die Mitte gerückt

Und doch, ausgerechnet er steht nicht mehr für die soziale Kälte, jenes Markenzeichen, das Maggie Thatchers Erben wie ein Mühlstein am Hals hing. Mit einer Konsequenz, die die Eiserne Lady vor Bitterkeit aufstöhnen lässt, rückt Cameron seine Partei in die Mitte - zunächst in erster Linie symbolisch. Demonstrativ kauft er Obdachlosen ihre Zeitung Big Issue ab. Um vor dem Schmelzen der Polkappen zu warnen, lenkt er frierend einen arktischen Hundeschlitten. Ins Büro radelt er, Akten und Anzug fährt ihm sein Chauffeur hinterher.

Es gibt Kritiker, die sehen darin nur Show, das Theater eines Opportunisten. Dem halten Camerons Anhänger entgegen, dass ihr Mann auch inhaltlich durchaus Ernst macht. Wo Thatcher donnerte, dass es "so was wie Gesellschaft" nicht gebe, betont er den Gemeinschaftssinn der Zivilgesellschaft. Wo Thatcher die Apartheid billigte, bittet er Nelson Mandela dafür um Verzeihung. Wo Thatcher die Finanzjongleure der City als Helden feierte, sagt Cameron: "Ich bin nicht in die Politik gegangen, um das Sprachrohr des Big Business zu sein."

Distanz zu den USA

Selbst den Schulterschluss mit den USA schwächt er ab. "Wir dienen weder unseren Interessen noch den Interessen Amerikas, wenn man uns bei jedem Unterfangen als Amerikas bedingungslosen Verbündeten sieht."

Umfragen vom September bescheinigen Cameron einen knappen Vorsprung im Duell mit Schatzkanzler Gordon Brown, der Blair spätestens im nächsten Sommer als Regierungschef ablösen dürfte. 35 Prozent halten ihn für den besseren Premier, nur 32 Prozent geben Brown den Zuschlag.

Die Giftpfeile fliegen vor allem aus den eigenen Reihen. Die alte Tory-Garde wirft dem Aufsteiger vor, seine Stammwähler zu vergessen. Lord Norman Tebbit, der Grande der Parteirechten, hält nicht viel von Camerons Buhlen um die Neue Mitte, noch weniger hält er vom neuen Wappen: "Das ist keine Eiche, das sieht aus wie ein Kopf Broccoli." (Frank Herrmann aus London, DER STANDARD, Printausgabe 2. 10. 2006)