Der Wahlsieger

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Der Wahlsieger und der Wahlverlierer

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Schwere Verluste der ÖVP und ein Halten der Stimmen und Mandate durch die SPÖ haben die Machtverhältnisse im Land umgekehrt: Im vorläufigen Endergebnis - ohne rund 280.000 Wahlkarten - liegt die SPÖ vor der bisherigen Kanzlerpartei ÖVP. SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos konnte schon bei Bekanntgabe der ersten Hochrechnung über das Erreichen aller Wahlziele jubeln: "Wir stellen den Kanzleranspruch."

Kanzleranspruch

Alfred Gusenbauer, der Kanzlerkandidat, war zunächst noch ein wenig vorsichtiger: Er stelle den Kanzleranspruch, wenn die SPÖ Platz eins erreicht. Diesen Platz hatte sie am Sonntag sicher, ein endgültiges Wahlergebnis unter Einrechnung der Auslands-Wahlkarten gibt es aber erst am 9. Oktober. In einer kurzen Ansprache bei der SPÖ-Wahlparty sagte Gusenbauer pathetisch: "Es ist heute einer jener Tage, wo ich den Eindruck habe: Am Ende siegt die Gerechtigkeit."

Grüne

Bei den Grünen zeigte man sich froh, das stärkste Ergebnis der Parteigeschichte erreicht zu haben und auch im internationalen Vergleich zu den stärksten Grün-Parteien zu zählen. Dies wird allerdings dadurch getrübt, dass der dritte Platz verfehlt wurde und die Grünen auch kaum Chancen haben, in eine Regierung eingebunden zu werden. "Dreierkoalitionen würde ich meiner Partei nicht empfehlen", sagte die niederösterreichische Landesparteichefin, Madeleine Petrovic.

"Bürgerliche Mehrheit"

Beim BZÖ war man zunächst froh, alle Ziele erreicht zu haben - sowohl den Einzug ins Parlament als auch die Verhinderung einer rot-grünen Mehrheit. Das erklärte Wahlziel von sieben Prozent wurde nicht mehr angesprochen - wohl aber verwies Klubdirektor Günther Barnet darauf, dass es eine bürgerliche Mehrheit mit ÖVP und FPÖ gemeinsam gebe.

Von der FPÖ wird das nicht mehr völlig ausgeschlossen. Sie hat nicht nur ihren Platz verteidigt, sie ist auch deutlich stärker geworden, als sie es 2002 noch mit Jörg Haider gewesen ist. Das Wahlergebnis berge eine Tatsache: "Die FPÖ ist zurück. Wir haben uns nach einer schwierigen Phase gefangen, kommen auf die Überholspur." Wer mit wem, was nun?

Zur ersten Begegnung zwischen dem Noch-Bundeskanzler und seinem wahrscheinlichsten Nachfolger kam es im Innenministerium nach Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses um halb acht: Wolfgang Schüssel gestand seine wahrscheinliche Niederlage ein und gratulierte Gusenbauer so spontan, dass die Fernsehkamera Schwierigkeiten hatte, den Händedruck einzufangen.

Schüssel sagte, dass er selber die Verantwortung für das Abschneiden seiner Partei trage - welche Konsequenzen das hat, werde in den Parteigremien besprochen werden. Diese tagen am Montag.

Keine Koalitionsspekulationen

Auf Koalitionsspekulationen wollte sich am Wahlabend keiner der Spitzenkandidaten einlassen. In der TV-Diskussion mit ORF-Chefredakteur Werner Mück sagte Alfred Gusenbauer (der von ihm übrigens schon als "nächster Bundeskanzler" angesprochen wurde), er rechne damit, von Bundespräsident Heinz Fischer mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden, und er werde sich bemühen, eine "stabile Regierung" zu schaffen.

Er werde, aufgrund des Ergebnisses, "erst mit der ÖVP und dann mit den Grünen reden", sagte Gusenbauer. Eine "ménage à trois", also eine Dreierkoalition, lehnte Gusenbauer ab. Der Noch-Bundeskanzler und ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel lehnte wiederum ab, an eine Koalition mit der FPÖ zu denken. Es habe sich, sagte Schüssel, "gegenüber der Wahlwerbezeit nichts geändert". Damals hatte Schüssel eine solche Koalition ausgeschlossen. Auch der Grüne Spitzenkandidat Alexander Van der Bellen signalisierte seine grundsätzliche Bereitschaft, mit beiden Großparteien verhandeln zu wollen. Eine Präferenz ließ Van der Bellen nicht erkennen, nur eine Zusammenarbeit mit Heinz-Christian Strache schloss er dezidiert aus.

Westenthaler will mitreden

Und BZÖ-Obmann Peter Westenthaler will auf jeden Fall bei den Regierungsverhandlungen mitreden und eine Große Koalition verhindern - ist also auf eine Dreierkoalition aus. Alle Spitzenrepräsentanten der Parteien betonten aber, dass sich durch die Wahlkarten noch Mandatsverschiebungen ergeben könnten - mit Auswirkungen auf mögliche Koalitionsvarianten.

Geringe Beteiligung

Noch am Wahlsonntag meldete sich auch Bundespräsident Heinz Fischer zu Wort: Er hätte sich eine höhere Wahlbeteiligung gewünscht. Nur 74,22 Prozent sind wählen gegangen - ein Minus von 10,1 Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Urnengang im November 2002. (DER STANDARD; Print-Ausgabe, 2.10.2006)