Prag - Vier Monate nach der Parlamentswahl in Tschechien hat die konservative Minderheitsregierung die Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus verloren und muss laut Verfassung zurücktreten. Das Kabinett von Ministerpräsident Mirek Topolanek erhielt am Dienstag lediglich 96 der 195 abgegebenen Stimmen. Für einen Erfolg wären zwei Ja-Stimmen mehr nötig gewesen. 99 Abgeordnete stimmten gegen die Regierung. "Die Öffentlichkeit will vorgezogene Neuwahlen", sagte Topolanek nach der Abstimmung.

Über die weiteren Schritte muss nun in den kommenden Wochen Staatspräsident Vaclav Klaus entscheiden. Er kann erneut Topolanek oder einen anderen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragen. Bis dahin bleibt das Kabinett Topolanek geschäftsführend im Amt. Scheitert der nächste und auch ein dritter Versuch, kommt es automatisch zu Neuwahlen. Topolanek sagte, er werde frühestens am Mittwoch nächster Woche seinen Rücktritt einreichen. Klaus kehrt erst am Donnerstagabend von einer umfangreichen Asien-Reise zurück.

Die konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) von Topolanek verfügt im Abgeordnetenhaus nur über 81 Mandate und konnte seit ihrem Wahlsieg Anfang Juni mit keiner Parlamentspartei ein mehrheitsfähiges Bündnis bilden. Grund ist ein Patt zwischen Mitte-Rechts-Parteien und der Linken aus Sozialdemokraten (CSSD) und Kommunisten (KSCM), die jeweils 100 der 200 Abgeordneten im Unterhaus haben. Gespräche über eine Große Koalition zwischen ODS und Sozialdemokraten (CSSD) waren im August gescheitert. Das ODS-Minderheitskabinett war Anfang September vereidigt worden und musste sich laut Verfassung innerhalb von 30 Tagen einer Vertrauensabstimmung stellen. Mit der Niederlage ist erstmals eine Regierung in Tschechien an der Vertrauensabstimmung gescheitert.

Topolanek hatte am Dienstag in seiner Regierungserklärung versprochen, bei einem positiven Votum das Land zu Neuwahlen im Frühjahr 2007 zu führen. Hingegen hatte sein Vorgänger Jiri Paroubek das Parlament aufgefordert, gegen das Kabinett zu stimmen. "Diese Regierung gefährdet mit ihrer skeptischen Haltung die Stellung unseres Landes in der EU", sagte der Sozialdemokrat. Der kommunistische Parteichef Vojtech Filip erteilte der Minderheitsregierung der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) eine Absage. Er bot an, eine "Regierung des nationalen Konsens" unter Einbindung aller Parteien zu bilden, die das Land zu vorgezogenen Neuwahlen führen solle.

Kommunisten und Sozialdemokraten stimmten geschlossen gegen das Kabinett. ODS, Christdemokraten (KDU-CSL) und Grüne (SZ) unterstützten die Minderheitsregierung. Drei Christdemokraten nahmen an der Abstimmung jedoch nicht teil. Ein Sturz des Kabinetts Topolanek sei der schnellste Weg zu Neuwahlen, argumentierten sie. Wegen der Erkrankung der sozialdemokratischen Abgeordneten Lenka Mazuchova, die der Sitzung fernblieb, gab auch Topolanek seine Stimme nicht ab, um die Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus nicht zu verfälschen.

Unklar ist, wem Klaus nun den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird. Als möglich gilt, dass das Staatsoberhaupt zunächst die Kommunal- und Senatswahlen am 20./21. Oktober abwartet. Seine Berater haben erklärt, dass ein Kandidat vor einer Ernennung zeigen müsse, dass er eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus auf sich vereinen könne. Paroubek hat sich zuversichtlich gezeigt, dies zu schaffen. Die Klaus-Berater halten jedoch eine Übergangsregierung oder vorzeitige Neuwahlen für wahrscheinlich. (APA/dpa/CTK/Reuters)