Forschung & Geschlecht
Ess-Störungen: Neue Einsichten der Hirnforschung
Ekelgefühle spielen eine Rolle
Brighton - Patientinnen, die unter
Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) leiden, scheinen mit Fress-Attacken und
Erbrechen ihre Emotionen auslöschen zu wollen. Darauf deuten
Untersuchungen von Forschern am St. George's Hospital in London
www.sghms.ac.uk
hin, die am 26. Juni auf dem Forum of European
Neuroscience in Brighton
www.fens2000.org
vorgestellt wurden.
Präsentiert werden auch Ergebnisse von Untersuchungen mit bildgebenden
Verfahren bei Magersucht auf dieser Tagung. Bei der Erforschung der
Ess-Brech-Sucht konzentrierten sich die WissenschaftlerInnen bislang auf das
Verhalten der betroffenen Frauen wenn es um Essen, Gewicht und
Körperform geht. Doch inzwischen ist klar, dass auch Emotionen wie Zorn,
Einsamkeit und Angst bei der Bulimie eine große Rolle spielen.
"Emotional-gesteuerte Fress-Attacke"
Untersuchungen von Dr. Glen Waller am St. George's Hospital in London
unterstützen die Hypothese von der "emotional-gesteuerten Fress-Attacke".
"Unsere Arbeiten zeigen zum einen, dass betroffene Patientinnen und
Patienten es vermeiden, darüber nachzudenken, wie sie sich fühlen", erklärt
Waller. "Darüber hinaus haben wir Hinweise, dass bei emotional-gesteuerten
Fress-Attacken eine sehr schnelle, unbewusste Informationsverarbeitung im
Gehirn abläuft." Dr. Waller vermutet, dass diese schnelle, unbewusste
Hirnaktivität zumindest teilweise erklären kann, warum konventionelle
Therapieansätze, etwa die kognitive Verhaltenstherapie, bei vielen
Betroffenen nicht wirksam ist. Denn im Vergleich zu ihrer Wirksamkeit bei
anderen Störungen, ist diese Behandlungsmethode bei Bulimie nur bedingt
hilfreich.
Was spielt sich im Gehirn von Patientinnen mit Magersucht im Vergleich zu
gesunden jungen Frauen ab, wenn ihnen Bilder von Getränken mit hohem
oder niedrigen Kaloriengehalt gezeigt werden? Dies hat Dr. Frances Connan
vom Institut für Psychiatrie der Universität London mit Hilfe der funktionellen
Magnetresonanz-Tomographie untersucht. Denn vermutlich spielen
bestimmte Regionen im Schläfenlappen der Großhirnrinde bei der gestörten
Wahrnehmung sowie kognitiven und emotionalen Prozessen von Patientinnen
mit Anorexia nervosa eine Rolle.
Ekelgefühle
"Wenn Anorexie-Patientinnen Bilder von hochkalorischen Getränken
betrachten, sind bei diesen Frauen andere Areale aktiv als bei gesunden",
erklärt Connan. Obwohl die Untersuchungen sich noch in einem frühen
Stadium befinden, vermutet der Wissenschaftler, dass Ekelgefühle bei
Anorexie eine wichtige Rolle spielen und dass es in den Hirnbereichen, die
Appetit und das Essverhalten steuern, zu Störungen kommt.Von ihren
Einsichten in die komplexen Gehirnprozesse bei Esstörungen versprechen sich
die Forscher langfristig auch Konsequenzen für die Therapie.
(pte)