Termoli – Der Verbundkonzern, größter Stromerzeuger Österreichs mit wachsenden Interessen im Ausland, will nun massiver ins Gasgeschäft einsteigen. Neben Frankreich, wo der Verbund in dieser Woche über seine Beteiligung Poweo eingeladen worden ist, ein Konsortium zum Bau und Betrieb einer Gas-Verdampfungsanlage auf die Beine zu stellen, wird ähnliches auch in Italien versucht. 2Wir prüfen die Beteiligung an einem Gasterminal", sagte der Geschäftsführer der italienischen Sorgenia, Massimo Orlandi, dem Standard bei einem Besuch im eben eröffneten Kraftwerk Termoli. An Sorgenia ist der Verbund beteiligt.

Knapp ein Dutzend Standorte kämen für einen LNG-Terminal (Liquified Natural Gas; Flüssiggas) in Frage, sagte Orlandi. Vier Projekte seien bereits in einer konkreten Phase. Ein Projekt, der Adriaterminal in Rovigo, wird von Sorgenia-Konkurrent Edison gerade gebaut. Italien hat einen rasch wachsenden Energiebedarf und muss diesen überwiegend aus Importen decken. Diese Konstellation hat dazu geführt, dass das Preisniveau für elektrische Energie mit zu den höchsten in Europa zählt. Strom kostet in Italien etwa 40 Prozent mehr als in Österreich. Neue Kraftwerke entstehen

Neben der Ertüchtigung alter Kraftwerke wird nun auch massiv in neue Anlagen investiert, die großteils mit Gas befeuert werden. Jüngstes Beispiel ist Termoli, ein Gas-Kombikraftwerk in der 75 km südlich von Pescara gelegenen Adriastadt gleichen Namens. In das 800 Megawatt-Kraftwerk, das rund 4,5 Mrd. kWh Strom produziert (zum Vergleich: das 172-MW-Kraftwerk Freudenau erzeugt rund eine Mrd. kWh im Jahr) hat Sorgenia 400 Mio. Euro investiert. Drei weitere Gas-Kombikraftwerke sollen bis 2009 ans Netz. Dann wird der Verbund in Italien fast soviel Strom erzeugen wie derzeit in Österreich. Eines der beschlossenen neuen Kraftwerke, Modugno bei Bari, ist schon in Bau.

An Sorgenia, vormals Energia, ist der Verbund mit 38,5 Prozent beteiligt. Die Mehrheit hält Cir, die Familienholding des Industriellen Carlo de Benedetti. Sorgenia ist mittlerweile der fünftgrößte Stromanbieter in Italien (nach der staatlichen Enel, der mehrheitlich von der französischen EdF beherrschten Edison, Eni Power und der Schweizer EGL). Entlang der tyrrenisch-ligurischen Küste betreibt Sorgenia in einem Jointventure mit der belgischen Electrabel und den Stadtwerken Rom außerdem noch drei Kraftwerke auf Kohle- und Ölbasis. Vorsorge für Liberalisierung

Zusätzliche Möglichkeiten

Zusätzliches Gas ist für Sorgenia insofern interessant, als sich mit der weiteren Liberalisierung zusätzliche Möglichkeiten beim Weiterverkauf eröffnen. Durch LNG könnten die Bezugsquellen diversifiziert werden, sagte Sorgenia-Geschäftsführer Orlandi, der auch eigenes Geld in das Unternehmen investiert hat. Derzeit bezieht Sorgenia rund zwei Mrd. Kubikmeter Erdgas pro Jahr über die im Oktober 2004 eröffnete Green Stream Pipeline aus Libyen. Dieses Gas wird zur Gänze an Großkunden weiterverkauft. Gas zur Befeuerung der eigenen Kraftwerke wird von der Gasgesellschaft Eni bezogen.

Der Verbund hat sich sein Italien-Engagement bisher rund 200 Mio. Euro kosten lassen, „gut angelegtes Geld“, wie Verbund-Chef Hans Haider sagte. Zusätzlich gibt es noch 150 Mio. Euro genehmigtes Kapital, das aber sparsam eingesetzt werden soll. Weiter Expandieren möchte der Verbund auch in Westeuropa sowie im Südosten des Kontinents. (stro, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.9.2006)