Foto: Vene Maier
Höchste Vollendung beingereiften Fleisches. So stand's am Ende von Teil 1 der Vulcano-Reportage. Man darf das so stehen lassen, ohne Gefahr zu laufen, einfach als Marktschreier zu gelten. Zu Zeiten des Kulinarischen Herbstes, wie er jährlich rund um die Riegersburg zelebriert wird, bekommt der kulinarisch Reisende nicht nur dies, sondern eine ganze Menge erstklassiger Produkte zur Verkostung angeboten. Das manche Produkte auch richtig teuer sind, liegt sowohl in der Natur der Sache als auch in der perfekten Art, wie sie gemacht werden.

Kooperatives Miteinander

Ein Glücksfall für die ganze Region ist auch das Überschreiten engstirniger Weisheiten wie „Jeder ist sich selbst der Nächste“. Weltoffenere Typen wie Gölles, Zotter, Fink, Neumeister oder Winkler-Hermaden – und, das soll nicht vergessen bzw unerwähnt bleiben: die kreativen Impulse der jeweils beteiligen Frauen – haben mit ihrer kulinarischen Initiative die ganze Region weiter gebracht als das jeder für sich allein gekonnt hätte. Das kooperative Miteinander statt eines egoistischen Gegeneinander bringt nicht nur den Betrieben des „Kulinarischen Herbstes“, sondern auch Dutzenden anderen, vom unbekannten Winzer über den Bienenhonig-Meister bis zum ländlichen Zimmervermieter ein Surplus, eine zusätzliche Einnahme, einen guten Ruf und den Ansporn, auf diesem Weg weiterzugehen.

Als besonders gute, angewandte Beispiele für diese Philosophie können zwei Feinkostgeschäfte gelten, die es so nur geben kann, wenn man über den eigenen Gartenzaun hinaus auf das Wohl des Gesamten blickt. Finks Feinkostladen in Riegersburg und die Greislerei De Merin in Straden geben auch dem weitgereisten Gast einen Überblick über die ganze Palette an ersklassigen Produkten, die im Vulkanland wie die Schwammerln spriessen.

Weiter brauchts auch nichts

Wein bringt das Vulkanland sowieso in Spitzenqualität hervor, Kernöl und Essige detto, Wurst und Schinken wie schon beschrieben, dazu Honige in präziser aromatischer Ausprägung (Imkerei Kohl aus Tiefenbach), jungen Spargel in Balsamessig (von Reicher in Mahrensdorf, Extraklasse), Weichkäse aus Schaf- und Kuhmilch, eingewickelt in Neusetzer (weisser Speck vom Wollschwein) und frische Kräuter. Weiter brauchts auch nichts, um toll zu schmecken, vielleicht ein wenig Salz, aber keine Konservierungsstoffe, keine Fremd-Aromen, keinerlei Verstärker von irgendwas.

Wunderbar. So kann das Land schmecken, wenn es von ein paar gscheiten Leuten gemacht wird. Experimente sind dann halt notwendig, Irrtum nicht ausgeschlossen, aber mit Lust und Laune neue Versuche starten, so oft zum Beispiel, bis das Zwetschken-Chutney dann so ist, wie es ist: Ausgewogen fruchtig und würzig, gezähmte Süsse mit animierend exotischer Würze, aus der Küche von Bettina Fink und ihren „Damen“.

Ein weiteres kulinarisches Highlight an diesem feinen Wochenende: Die Fische, wie sie von den Marchl Teichen in Etmissl frisch gegrillt auf den Teller kommen, und pro Stück wohlfeile € 6,50 kosten. Oder man schneide eine Packung Eismeersaibling auf, gebeizt mit asiatischen Gewürzen, Salz und Zucker – da kommt nur noch der echte Wildlachs, der garantiert eigenhändig vom Onkel erbeutet und von der Nichte eingebeizt wurde, annähernd hin.

Echt verteufelt gut

Das Vulkanland schmeckt echt verteufelt gut. Soweit ich das überblicken kann, ist die Gegend von Riegersburg bis Straden derzeit die innovativste Region im ganzen Land. Das hat sich unter dem Publikum auch schon herumgesprochen. Sie kommen. Noch nicht in (Bus)Scharen, aber individuell, heisst: mit dem Auto, da und dort nur sind ein paar auch mit dem Radl da – wobei anzumerken ist, das Fitneß- und Freizeit-Radler keine umworbenen Zielgruppen sind. Aber um alles können sich die kulinarischen Manufakturen ja auch nicht kümmern...

Moarfeitl, Saziani, Schlafgut

Obwohl sie sich eh schon um Vieles kümmern. Herausragend etwa die Neumeisters. Moarfeitl und Saziani sind mittlerweile Begriffe, die nationales wie internationales Publikum anziehen. Klare und sehr präzise Weine in immer passender Ausbauweise, engagierte junge wie gereifte erfahrene Produzenten, zielgerichtete Investitionen in ein kulinarisch-vinophil-gastronomisches Gesamtwerk. Moderne, klare, schnörkellose Architektur vom Feinsten im Weingut (Architekten Andreas Burghardt und Werner Schüttmayr, Chapeau!), Haubenküche in höchster und Landküche in guter Qualität (diese wäre noch besser, wenn in den Zwetschkenknödeln statt grosser, unreifer Dinger die gerade reifen, süssen und verschrumpelten Hauszwetschken, die vor lauter Menge schon gar nicht mehr geerntet werden, drin wären), und dann noch etwas für die Fremden: Wohnungen und Zimmer im etwas nostalgischen „Schlafgut“.

Das schaut nämlich sehr schön aus, und der Reisende würde sich sehr freuen, hier sich betten zu dürfen. Man wäre auch sehr willkommen. Allein: – genau. Aber wenn Sie – oder ich – jetzt wissen, was wir im Herbst 2010 zu genau diesem oder jenem Wochenende machen wollen, dann könnten wir buchen. Am besten gleich.

Dann gute Nacht

Ansonsten bleibt dann wieder nur Bad Gleichenberg. Und dort ist sicher dann auch noch nichts los. Aber vielleicht ist der Wein in der Hausbar dann schon ein Welschriesling aus Straden. Oder ein Zweigelt aus Neusetz. Wäre ja schon was. Aber was, wenn es so wäre, dass hier und dort – in der Hotellerie, im Tourismus, in der Politik – viele einfach den Ausbruch im Vulkanland übersehen haben?

Dann gute Nacht, Gleichenberg. (Vene Maier)