T Bone Burnett: True False Identity
T Bone Burnett geistert seit bald drei Jahrzehnten und vor allem als Produzent durch die Popgeschichte und hat dort Spuren hinterlassen, die von Roy Orbison bis zu den großartigen Los Lobos reichen. Sein Solowerk, für das er zuletzt wegen diversen Soundtrackarbeiten kaum Zeit aufbrachte, fällt dagegen bescheiden aus. T Bone ist kein begnadeter Sänger und die meist im Rootsrock angesiedelten frühen Alben waren allesamt zu brav und im Gegensatz zu seinen Produktionen uncharismatisch. Hier revidiert er diese Einschätzung und legt ein genialisches, wütendes Rockalbum vor, dessen Atmosphäre an die besten Arbeiten von Joe Henry erinnert. Man höre nur "Palestine Texas"! Damit hat er einen auch schon überzeugt, der Rest fällt kaum ab. (SonyBMG)

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T Bone Burnett

Foto: T Bone Burnett

The Roots: "Game Theory"
The Roots spielen längst in ihrer eigenen Liga, also unbehelligt vom üblichen Hochglanz-HipHop mit seinen bekannt-doofen Klischees (dicke Autos, Eier, Geldtaschen etc.). "Game Theory" ist eher ein Zwischenwerk im Sinne einer Verfeinerung bereits bekannter Charakteristika, das die Band aus Philadelphia traditionell mit richtigen Instrumenten eingespielt hat. Der meist politisch konnotierte Rap harmoniert brillant mit dem Funk der Band, der immer auch im Wissen um die Kraft der Auslassung und Reduktion seine infektiöse Wirkung erzielt. Zudem ist "Game Theory" nicht bloß eine Aneinanderreihung einzelner Tracks, sondern kann tatsächlich als gesamtheitlich gedachtes Werk nachempfunden werden. Bitte wieder einmal live vorbeischauen, danke! (Universal)

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The Roots

Foto: The Roots

R.E.M.: "Document"
Das Erscheinen der R.E.M.-Doppel-CD "The Best Of The I.R.S. Years" von vor wenigen Wochen, war ein guter Anlass, um wieder einmal das beste Album der Alternative-Music-
Weltberühmtmacher aus Athens, im US-Bundesstaat Georgia, anzuhören: "Document". Das war gewissermaßen der Rohdiamant, dem infolge die Kanten und Ecken und damit auch die Schönheit und Verwegenheit genommen wurden. Bei aller persönlichen Integrität von Stipe und Co – aber musikalisch haben sie sich seit "Document" nicht wieder selbst eingeholt. Elf perfekt in Chronologie gesetzte Songs, die in Summe eines der besten Alben seiner Zeit ausmachten. (I.R.S.)

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R.E.M.

Foto: R.E.M.

In Prison: Afroamerican Prison Music From Blues To HipHop – Various Artists
Eine weitere erlesene Sammlung des Münchner Black Culture Spezialisten Jonathan Fischer ("Cheating Soul", "Dirty Laundry", "Down and Out"...), der hier triste und von jeder Hoffnung befreite Gefängnislieder von Afromamerikanern zusammen getragen hat. Von Steine klopfenden Chain-Gang-Gesängen bis zu bitteren Abrechnungen mit einem Justizsystem, das in den USA wie eine Fortsetzung der Sklaverei mit anderen Mitteln erscheint, spannt er den Bogen und illustriert den Facettenreichtum des Elends mit Stücken von Nina Simone, Curtis Mayfield, Bobby Womack, der Lifers Group, Dead Prez and anderen mehr. Harte Suppe! (Trikont/Hoanzl)

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Trikont

Foto: In Prison

Pulp: "Different Class"
Während sich in den mittleren 1990ern Oasis und Blur gegenseitig die Seuche mit den vier Buchstaben an den Hals bzw. anderswohin wünschten, machten Pulp einfach ein zart angewidertes Gesicht – und die besseren Platten. Mit "Different Class" gelang ihnen sogar der geheime Höhepunkt des Brit-Pop-Booms. Dieses Album aus 1995 wurde nun als Deluxe Edition neu – also ordentlich aufgefettet – wieder aufgelegt. Die Magie von Weltnummern wie "Common People", "I Spy", "Disco 2000" oder dem anrührenden "Something Changed" ist immer noch vorhanden. Die zweite CD enthält einige Liveversionen und Demos, erwähnenswert vor allem eine Version von "Disco 2000", bei der Nick Cave mit Jarvis Cocker Duett singt. Ebenfalls in Deluxe Editionen aufgelegt: Das eher magere "His'N'Hers" sowie das sträflich unterschätzte "This Is Hardcore".

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Pulp

Foto: Pulp

Repo Man: Various Artists
Dieser Soundtrack zu dem gleichnamigen Film von Alex Cox aus dem Jahr des großen Bruders, ist eine der besten Sammlungen rarer Juwelen aus dem L.A.-Punk der frühen 1980er. Schon der Titelsong, eine der besten Nummern, die Iggy Pop je in ein Mirofon gebellt hat, überzeugt restlos. Es folgen "Underground-Hits" von Bands wie Fear, Suicidal Tendencies oder den Latino-Punks The Plugz. Der wirkliche Höhepunkt des Albums ist jedoch die düster-urbane Rhythm'n'Blues-Bearbeitung der Jonathan-Richman-Nummer "Pablo Picasso". So lässig wie eine Band namens Burning Sensations ihre fett produzierte Version hier hinrotzt, lässt es sogar die Interpretation von John Cale abstinken. Geheimtipp!

Foto: Repo Man

Beirut: "Gulag Orkestar"
Mit einer grandiosen Vermengung von Balkan-Getröte, Trauermarsch-Hatschern und lamentierendem Gesang ist Zach Condon, eine Kaulquappe aus New Mexico, ein Debüt gelungen, das einen von der ersten bis zur letzten Minute gefangen nimmt. Wie kann man so jung schon so todessehnsüchtig sein? Natürlich ist er das nicht wirklich, aber die Wehmut die hier jedes einzelne Lied durchzieht, besitzt gravitätische Kräfte wie man sie zuletzt nur in Johnny Cash' Spätwerk hörte. File under: One foot in the grave. Da können die Bläser noch so dagegen halten, die Ukulele noch so flirren und die Tamburin noch so poltern – auf dieser Platte ist und bleibt es November. In all seiner umnebelten Schönheit! Wenn heuer nicht noch etwas ganz aufregendes passiert, dann ist "Gulag Orkestar" das Album des Jahres! (Ba Da Bing! Rec.)

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Beirut

Foto: Beirut

DJ Shadow: "The Outsider"
Josh Davis alias DJ Shadow war es, der in den 1990ern den Amerikanern so etwas wie einen Achtungserfolg bescherte, als zumindest aus europäischer Sicht nur noch TripHop und seine diversen Spielarten angesagt waren. Shadow gelang mit "Entroducing" ein tatsächlich pädagogisches Album, dass er infolge auch richtiggehend dozierend live präsentierte – siehe seinen Auftritt im Wiener Flex nach seinem zweiten Album "The Private Press". Seine Funk-Herleitungen funktionierten streng historisch, während seine Ambientzutaten so etwas wie eine ruppigere TripHop-Version ergaben – auch wenn er sich vom Old School HipHop als Basis nie sehr weit entfernte. Das ist bis heute so geblieben, wie nun "The Outsider" unterstreicht. Wenn sein Album nicht nur als bloße Beschallung, sondern eben als Aufgabe gesehen wird, dann geht das Konzept Shadows voll auf. Und so unsexy wie es sich hier liest, ist es natürlich nicht... (Universal)

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DJ Shadow

Foto: DJ Shadow

Junior Boys: "So This Is Goodbye"
Große Kitschbrüder sind die Junior Boys, ein kanadisches Gespann, das dem Pomp als Synthie-Pop-Unternehmen mit reduzierten und hübsch-filigranen Kompositionen zwar entsagt. Stücke wie "First Time" geben aber unzweifelhaft zu erkennen, dass diese ebenso gut von Duran Duran im Dauerwellenstadion Ihres Missvertrauens gespielt werden könnten. Damit erschöpft sich die Faszination an den Boys schon ein wenig, weil das bleibt so. Doch in diesem Balancehalten zwischen den ausgeschöpften und den vielen zum Glück nur angedeuteten Möglichkeiten, erweisen sie sich die Junior Boys als große Meister. (Domino)

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Junior Boys

Foto: Junior Boys

The Lilac Time
Im Zuge des medialen Getöse um – Kreisch!!! – Robbie Williams, bekommt auch sein aktueller Songschreiber Stephen Duffy etwas vom Ruhm ab. Neben einer gepflegten Altersvorsorge bedeutet das auch, dass die Alben seiner 1980er-Jahre-Band The Lilac Time um diverse Boni erweitert wieder aufgelegt werden. Duffy erwies sich schon auf seinem Debüt mit Lilac Time (1988) als Meister subtiler, gefühlvoller Folk-Pop-Songs, der das Pop-Moment manchmal ein wenig beschnitten hat, was folglich den Songwriter Duffy in den Mittelpunkt stellte. Hier hören wir also intelligent-introvertiertes Liedgut, dass sich mit hübschen Sing-a-longs im Uptempo die Waage hält. Auch wenn man Grant McLennan nicht ersetzen kann, als Trostpflaster ist das mehr als nur tauglich... (Universal)

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The Lilac Time

Foto: The Lilac Time