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Die ÖVP, so VP-Finanzsprecher Günter Stummvoll, betreibt "keine Bawag-Wahlkampf", um dann - wie vor ihm Karl-Heinz Grasser - auf die Bawag zu sprechen zu kommen.

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Wie erwartet, widmeten sich die Parlamentsparteien bei der letzten Nationalratssitzung vor der Wahl vor allem dem Bawag-Skandal. Zwar näherten sie sich diesem über thematische Umwege – die lästige Geschäftsordnung –, kamen aber dennoch zielsicher dort an. Am Vormittag musste die Verfassungsdebatte, die sich eigentlich mit den Ergebnissen des Österreichs-Konvents beschäftigen wollte, herhalten. Da war es die SPÖ, die der Regierung eine Instrumentalisierung der Justiz zu Wahlkampfzwecken vorwarf. Verfassungssprecher Peter Wittmann forderte die Einsetzung eines „unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwaltes“ mit einer Amtsdauer von sechs Jahren. Es sei eine „Schande“ für die Justiz, dass im Fall Bawag Akten aus der Staatsanwaltschaft an die Öffentlichkeit getragen worden seien. Der Antrag wurde abgelehnt.

Dringliche der ÖVP

Am Nachmittag war dann die ÖVP an der Reihe. Mit einer Dringlichen Anfrage „betreffend weitere Entlastungen der Bürger und Unternehmer“ gab Wirtschaftssprecher Günter Stummvoll Finanzminister Karl-Heinz Grasser ausreichend Gelegenheit, seine Politik zu loben und auf die Bawag hinzuprügeln. Die Behauptung Stummvolls, die ÖVP führe „keinen Bawag-Wahlkampf“, quittierte die SP-Fraktion mit Gelächter.

Und als ob Stummvoll sich selbst Lügen strafen wollte, blätterte er das Sündenregister durch: Der Streikfonds des ÖGB sei ausgeräumt, in der Karibik habe die Bawag über drei Milliarden Euro versenkt, und das unfähige Management habe auch der Gewerkschaftsbund ausgewählt. Was er wirklich sagen wollte, hob sich Stummvoll, der keinen Bawag-Wahlkampf betrieb, bis zum Schluss auf: „Keine Experimente mit der SPÖ, weiter auf dem erfolgreichen Kurs der ÖVP.“ Allein die wirtschaftliche „Erfolgsgeschichte“ der Regierung wäre Grund genug für vier weitere Jahre ÖVP, ließ Stummvoll seiner Begeisterung die Zügel schießen.

Grasser führte in seiner Beantwortung genüsslich aus, dass mit dem entstandene Schaden von drei Milliarden Euro „136.000 Arbeitslose, also 70 Prozent des Gesamtstandes, ein Jahr beschäftigt werden könnte“. Die Abfertigung von 6,8 Millionen Euro für Bawag-Chef Helmut Elsner habe ihn „sprach- und fassungslos gemacht“, beteuerte Grasser.

Karibik-Anklage

Die vorläufige Anklageschrift, die unter der Geschäftszahl 64 St 39/05d geführt wird, richtet sich, wie berichtet, gegen neun Angeklagte, in deren Mittelpunkt Ex-Bawag-Chef Elsner und sein glückloser Karibik-Investor, Wolfgang Flöttl, stehen (siehe Justiz sucht undichte Stelle in eigenen Reihen).

Gegen Elsner wird der Vorwurf der Untreue, des schweren Betrugs und der Bilanzfälschung erhoben. Dass er sich 2000 noch seine Abfertigung und eine Gewinnbeteiligung hat auszahlen lassen, ohne alle Aufsichtsräte vom Karibik-Verlust informiert zu haben, wird ihm als schwerer Betrug ausgelegt. Insgesamt beläuft sich der Schaden auf 1,5 Milliarden Euro. Die Justiz bestätigt diese Details, über die News berichtet, übrigens nicht, sucht vielmehr nach undichten Stellen (siehe unten). Elsners Ex-Vorstandskollege und Nachfolger Johann Zwettler, der nach der Refco-Affäre 2005 zurückgetreten ist, wird Untreue und Bilanzfälschung vorgeworfen, gleiches gilt für Günter Weninger.

Haftung eingefädelt Der Ex-ÖGB-Finanzchef und Bawag-Aufsichtsratspräsident war ja in die Verluste und deren mutmaßliche Vertuschung eingebunden; er hatte auch die Haftung, die der ÖGB für seine Bank übernommen hat, eingefädelt. Auch die übrigen Ex-Vorstände sowie den damaligen KPMG-Buchprüfer Robert Reiter trifft der Vorwurf der Bilanzfälschung, beziehungsweise Mittäterschaft. Flöttl wird der Untreue beschuldigt. Sachlich geht es in der ersten_Anklage um die „Sondergeschäfte“ 1998 bis 2000, die als Karibik-Geschäfte bekannt sind.

Schon 1998 waren die Spekulationsgeschäfte Flöttls für die Bawag so schief gelaufen, dass ein Verlust von 639 Mio. Euro entstanden war. In einer Vorstandssitzung am 26. Oktober 1998 beschloss der von Elsner informierte Vorstand, die Verluste geheim zu halten, nur Präsident Weniger wurde informiert. Und: Man beschloss, Flöttls Vermögen zu verwerten – und ihm weiteres Geld zur Kompensation der Verluste in die Hand zu geben. Auch das ging schief, zwei Jahre später hatte sich ein Schaden von 1,9 Mrd. Euro aufgetürmt. Zwar habe Flöttl rund 400 Mio. Euro durch Verwertung seines Vermögens wieder gut gemacht – dabei sei es aber wieder zu Bilanzmanipulationen gekommen.

Ex-ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch ist im Zusammenhang mit den Karibik-Geschäften nicht angeklagt, er war weder Organ der Bawag, noch hatte er dort Befugnisse, die er missbrauchen hätte können. Er wird möglicherweise wegen seines Penthouses angeklagt werden. (DER STANDARD, Printausgabe 22. 9. 2006)