Wien - Ungarn wird nach Einschätzung des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) um ein Sparpaket nicht umhinkommen. "Ich glaube nicht, dass Ungarn ohne ein Maßnahmenpaket aus dem Schlamassel herauskommen kann", sagte der Ungarn-Experte des WIIW, Sandor Richter, am Donnerstag vor Journalisten in Wien. Ansonsten könnte das Land in eine Finanzkrise schlittern. Die Risiken, dass es dazu komme, seien wesentlich höher als ohne ein Stabilisierungsprogramm. Nur mit einem massiven Sparprogramm könnten die Staatsfinanzen wieder in Ordnung gebracht werden.

Das Opfer werde sich lohnen, wenn alles gut gehe. Es gehe nun um ein Zurückgeben von Geschenken, die von der Politik seit Jahren ungerechtfertigterweise verteilt worden seien. So sei beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt in den Jahren 2001 bis 2005 um 18 Prozent gewachsen, die Realeinkommen jedoch um 30 Prozent, die Pensionen sogar über 30 Prozent. Vor jedem Urnengang die Staatsfinanzen kaputt zu machen, gehe nicht, irgend jemand müsse zur Realität zurückkehren. Ungarn müsse Maßnahmen zur Sanierung der Staatsfinanzen durchführen, um die Glaubwürdigkeit wieder zu gewinnen.

"Vier goldene Jahre"

Das heftig bekämpfte Stabilisierungsprogramm von Premierminister Ferenc Gyurcsany würde wesentlich geringere gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben als das Sparpaket der ungarischen Regierung Mitte der 90er Jahre. Beim privaten Konsum sei beim Durchziehen des Programmes im ersten Jahr lediglich mit einem Rückgang um 1 Prozent zu rechnen, im zweiten Jahr nach dem Sparpaket sollte es bereits zu einem marginalen Wachstum kommen. Beim Sparprogramm 1995 sei es zu einem Rückgang des privaten Konsums um 12 Prozent gekommen. Danach hätten die Ungarn allerdings "vier goldene Jahre" erlebt.

Sollte es zu Neuwahlen kommen oder die Opposition an die Macht kommen, müsste diese wohl ihr zuvor angekündigtes Programm durchziehen. Eine neue Regierung könnte es sich wohl nicht leisten, ihr vor der Wahl angekündigte Versprechen nicht zu halten und dann ein striktes Sparprogramm zu verordnen.

Das Regierungsprogramm gehe vom schlimmsten aus. Das Defizit könnte demzufolge heuer 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen. Vor den Wahlen lauteten die Prognosen auf 5 Prozent. Schlimmer könne es nicht mehr werden, auch nicht den beiden folgenden Jahren. Die Wirtschaftsforscher seien derzeit optimistischer als die Regierung - ein eher seltener Fall. Den Regierungsplänen zufolge soll das Defizit 2007 dann auf 3,3 Prozent sinken, 2008 auf 2,5 Prozent und 2009 auf 1,1 Prozent. (APA)