Der deutsche Künstler und Popmusiker PeterLicht schildert Umstände als Zustand: "Der Arbeitgeber kommt zur Tür herein und liegt mir schluchzend in den Armen. Alles sei so schwierig."

Foto: Motor Music/Universal
Der junge Kölner Künstler und Musiker Meinrad Jungblut alias PeterLicht ("Sonnendeck") präsentiert im Rahmen einer kleinen Konzert- und Lesetournee durch Österreich auch beim "steirischen herbst" seine flotten "Lieder vom Ende des Kapitalismus".


Wien/Graz - Das Motto klingt so schön wie erschreckend. Gerade für ein sich um die Avantgarde seit über 30 Jahren mittlerweile auch durchaus verzweifelt bemühendes und diskursive Leerstellen füllen wollendes Festival wie den steirischen herbst.

Angesichts des auch nicht mehr ganz taufrischen Programms einer Auseinandersetzung mit dem Begriff von "Kontrolle" muss das offensichtlich an den Grundfesten der Banalität festgezurrte Arbeitsprinzip des jungen deutschen Musiker und Künstlers Meinrad Jungblut alias PeterLicht erst einmal wie der bei so einer fortschrittlichen Festivalsause natürlich ebenso pflichtgemäß als Stachel ins eigene Fleisch gebuchte Gottseibeiuns wirken.

In einem Interview anlässlich des Erscheinens seines aktuellen Albums Lieder vom Ende des Kapitalismus im Frühjahr meinte der junge Mann aus Köln: "Die Gegenwart anbohren. Sehen, was raustropft, und daraus was machen, was schön ist." Schön bescheuert? Wo es tropft, muss Dichtung rein?

Das mag zwar unter anderem Diedrich Diederichsens verblasene Proseminararbeit im Themenkatalog des steirischen herbstes 2006 einigermaßen nachvollziehbar erscheinen lassen: Voller Kontrollverlust, leere Kontrolle, tiefe Radikalität - und was damit Jimi Hendrix im Hinblick auf frei improvisierte japanische Rockmusik der frühen 90er-Jahre und die Frisur des auch schon vor längerer Zeit ertrunkenen Rolling-Stones-Gitarristen Brian Jones zu tun haben. Wie heißt es bei PeterLicht (auch hier kein Mut zur Lücke) im Lied Es Bleibt Uns Der Wind (Du bist Richtig Hier): "Wer saufen kann, kann auch ausschlafen."

Dass PeterLicht mit seinen sloganhaften und darüber hinaus trotz allem Zynismus halbwegs wahrhaftigen Songs im Zeichen eines pfiffig zwischen Udo Jürgens, New Order, Franz-Josef Degenhardt, Blumfeld und Rio Reiser dem Abgott der Verwirrung der Öffentlichkeit durch öffentliche Verirrung huldigt, versteht sich von selbst. Wer so genau wie PeterLicht die Gegenwart als (was denn sonst?!) Spiegelung eigener Befindlichkeiten definiert, kommt dabei mit umgeschnallter Bekenntnisgitarre vom Hundertsten ins Plaudernde.

Nach seinem für eine kollektive Stimmung zwischen Ohnmacht, Erschöpfung und Feierlaune gerade recht geratenen Überraschungs-Sommerhit Sonnendeck aus dem Jahr 2001 hat PeterLicht die Zügel gegenwärtig straff gezogen.

Parallel zum Album Lieder vom Ende des Kapitalismus (Vertrieb: Universal) und der Uraufführung des Theaterstücks Wir werden siegen. Und das ist erst der Anfang in den Münchner Kammerspielen ist heuer auch Wir werden siegen! Buch vom Ende des Kapitalismus im deutschen Blumenbar Verlag erschienen. Eine Sammlung aus heiter-nachdenklichen und resignativen Liedtexten, Tagebucheintragungen und Krixikraxi-Zeichnungen, die PeterLicht auch als Schüler des unter anderem wegen seiner monumentalen Tagebuchbetrachtung Abfall für alle her bekannten Popautoren-Großvaters Rainald Goetz zwischen Privatheit und akuter gesellschaftlicher Verzweiflung ausweisen.

PeterLicht irrlichtert diesbezüglich zwischen knapp gehaltenen Kalauern wie: "Nächsten Sonntag ist Europawahl. Ich werde England wählen." und frühmorgendlichen Eindrücken zu auch nicht besser werdenden Tagen: "Das erste Wort heute. Es klemmt; kommt dann aber doch."

Das ist so traurig wie schmerzliche Realität. Mit seinen offenherzig als verhärmte Ironie präsentierten Popsongs und schon einmal auf zweiseitigen Umfang hochgefahrenen Kurztexten bindet hier ein Mann mit einfachsten Mitteln eine wegen intellektuellen Über- bis Hochmuts an der Relevanz von Pop verzweifelnde junge Zielgruppe wieder an die alte Vorgabe von Pop als Soundtrack des Alltags. Pop gehört gehört. Und er muss die Anlagen dazu bereitstellen, ihn auch kritisch hinterfragen zu können. Der Rest: die Aufsätze alter Männer.

PeterLicht: "Was ich gestern feststellte: wir sehen selbst dann noch gut aus, wenn wir eine Unterhose auf dem Kopf tragen. Und das selbst dann noch, wenn zwischen Stirn und Gummiband eine kerzenförmige Glühbirne klemmt." (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.9.2006)