Grace Odhiambo hätte laut Vorgaben für die Staatsbürgerschaftsprüfung zwei Stunden Zeit gehabt. Nach elf Minuten waren aber alle Fragen beantwortet.

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Wien - Die Journalisten und Kamerateams waren Mittwochfrüh recht erstaunt, als sie um 8.15 Uhr vor der Verwaltungsakademie in der Dresdner Straße vor geschlossenen Türen standen. Sie wollten diejenigen "neuen" Österreicher begrüßen, die sich in Wien der ersten Staatsbürgerschaftsprüfung gestellt hatten.

Eigentlich sollte der 18 Fragen umfassende Multiple-Choice-Test zwei Stunden dauern, er war aber für die meisten schon nach elf Minuten erledigt. Für die Kenianerin Grace Odhiambo, die als eine der wenigen strahlend noch ein wenig plauderte, war die Prüfung offenbar nicht allzu schwer. Jedoch habe man vor einem Test automatisch Panik, sagte sie lachend. Die Mutter zweier Kinder hatte sich ungefähr einen Monat lang auf die Prüfung vorbereitet, jeden Tag zwei Stunden ein wenig in die Fragen, die sie von der MA 35 (zuständig für Einwanderung, Staatsbürgerschaft und Standesamt), bekommen hat, hineingelesen.

Umstrittene Fragen

Sechs Fragen werden zum jeweiligen Bundesland, in dem der Antragsteller gemeldet ist, gestellt, weitere zwölf zu "Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung" sowie "die Geschichte Österreichs betreffend".

Mit dem Bundesländer-Test waren die Wiener ÖVP und die Grünen nicht zufrieden. Während Integrationssprecherin Alev Korun (Grüne) an Fragen wie "Welcher Brunnen in Wien erinnert an die Eröffnung der ersten Hochquellenwasserleitung?" und "Welche Aufgabe hat der Rechnungshof?", bemängelt, dass sie "die Einbürgerung so schwer wie möglich machen", vermutet die ÖVP hinter den Wiener Fragen "Eigen-PR".

Zwei Drittel der Fragen müssen richtig beantwortet werden. Wenn aber aus den einzelnen Fachgebieten die Hälfte, also insgesamt neun, richtig sind, dann reiche das auch, sagt ein Mitarbeiter der MA 35. Die Auswertung der 31 Tests erfolgte im Anschluss an die "Prüfung". Die Ergebnisse kämen dann per Post. Laut Integrationsstadträtin Sonja Wehsely (SP) könne man die Prüfung bei Nichtbestehen wiederholen, es haben sie jedoch alle bestanden.

Das Ehepaar Smajic aus Bosnien fand den Test "unnötig", wenngleich Amra Smajic einräumt, dass einige, die nicht in Österreich zur Schule gingen, sich schwerer tun könnten. Es sei schade, findet sie, dass viele Österreicher die Fragen nicht beantworten könnten.

Wer sie auf jeden Fall beantworten könnte, meinen die Bundes-Grünen, sind zwei Schüler aus Innsbruck. Denn obwohl sie nachweislich in Österreich geboren wurden und mit Erfolg maturiert hatten - und somit ausreichend Deutsch- und Geschichtekenntnisse haben dürften -, wurden auch sie zu einem Test gebeten. Genauer: zum Geschichtetest.

"Schikane"

Grünen-Integrationssprecherin Terezija Stoisits, die zu Wochenbeginn zu diesen Fällen einen Brief an Innenministerin Liese Prokop (VP) geschickt hat, bezeichnet das eine "Schikane". Sie fordert von Prokop eine Erklärung und "bittet" sie "dringend", "diesen Unsinn abzustellen". Die Reaktion des Innenministeriums steht aus, denn der Prokop-Sprecherin waren nach Anfrage weder der Brief noch die zwei Fälle bekannt.

Bis Ende des Jahres sind noch 20 Testtage geplant. Für den 27. September sowie den 4. und 18. Oktober wurden die nächsten Termine anberaumt.

(Marijana Miljkovic, DER STANDARD Printausgabe 21.9.2006)