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Am Montag wurden die Chefs des Online-Sportwettenanbieters Bwin (früher: Betandwin) von Südfrankreich in die Hauptstadt Paris überstellt, wo sie von einem Untersuchungsrichter angehört wurden.

Foto: Getty Images/ Montage: O. Beigelbeck
Manfred Bodner und Norbert Teufelberger waren gewarnt. Vertreter des Fußballclubs AS Monaco hatten ihnen nahe gelegt, ihre Pressekonferenz am Freitag nicht auf französischem Boden abzuhalten, sondern im Fußballstadion der Monegassen. Sie wussten warum: Auf dem französischen Staatsgebiet regiert die Française des Jeux (FDJ), und die lässt sich nicht gerne ins Geschäft pfuschen.

Denn ihr Geschäft wiegt schwer: Die FDJ erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von 8,9 Mrd. Euro, davon 283 Millionen im Bereich Sportwetten. Einen Teil davon entrichtet sie als Steuern an den Staat. Wie viel genau, ist unbekannt; es dürfte mindestens ein Fünftel sein. Auf jeden Fall genug, um ein paar Polizisten zu mobilisieren.

Offenbar fällt dies der FDJ besonders leicht: Als feststand, dass die beiden Bwin-Direktoren ihre Pressekonferenz auf französischem Boden abhalten wollten, riefen die Anwälte der FDJ an ihrem Firmensitz in Nanterre bei Paris einen Richter an, und der kabelte folgsam nach Nizza, worauf ein paar Gendarmen den Ort der Pressekonferenz bei strömenden Regen enterten und die beiden Österreicher festnahmen - auf eine Weise, die das sonst nicht zur Übertreibung neigende Weltblatt Figaro an den türkischen Action- und Gefängnisfilm "Midnight Express" erinnerte.

Laut Le Monde wiederum stand die Operation unter der Leitung der Direktion für Sportwetten und Glücksspiele bei den "Renseignements Généraux", dem Inland-Nachrichtendienst. Ihr "Hauptkunde", wenn so will, ist natürlich die FDJ.

Gewiss, danach setzte es einige Proteste ab. Fußballclubs in Saint-Etienne, Le Mans oder Bordeaux, die für Bwin auf den Spielertrikots werben, kritisierten die Verhaftung. Sie meinten, dass sich die FDJ zu Unrecht auf ihr nationales Wettmonopol stütze und ausländische Internet-Wettanbieter draußen halten wolle; entsprechendes französisches Recht stehe dabei im Widerspruch zu EU-Direktiven. Diese Klubs leiden ebenfalls unter dem Monopol und befürworten freie Konkurrenz, da sie ihnen höhere Einnahmen vermitteln würde.

Doch solche Angriffe lassen die FDJ-Bosse kalt. Zum verblüffend schnellen Polizeieinsatz erklären sie, sie hätten schon 2005 - zusammen mit dem Pferdewettveranstalter PMU - Anzeige gegen Unbekannt wegen "illegaler Glücksspiele, illegaler Lotterie, verbotener Lotteriewerbung und illegaler Wetten auf Pferderennen" erstattet. Doch dies erklärt nicht, warum die Gendarmen blitzschnell und wie auf höheren Befehl einschritten.

FDJ-Chef Patrick Partouche betont jedenfalls, dass er "alle illegalen Websites" rechtlich belangen werde. Frankreich wird von Online-Wettbüros (mit Sitz in Steuerparadiesen) derzeit bestürmt. Wenn der Staat derart Widerstand gegen die erwartete Öffnung des EU-Wettmarktes leistet, so auch deshalb, weil er in Hinblick auf eine Privatisierung die FDJ, die ihm zu 72 Prozent gehört, wertmäßig bewahren will.

Die Bwin-Aktien blieben am Montag vom Handel ausgesetzt (siehe Wissen). Der Aufsichtsrat ließ wissen, er stehe hinter den beiden Vorständen. Kritisiert wird die "Unverhältnismäßigkeit" der Maßnahmen, die "jederzeit einer Vorladung seitens der französischen Behörden nachgekommen wären". Bodner und Teufelberger warteten zu Redaktionsschluss auf ihre Anhörung. Wird ein Verfahren eingeleitet, werden sie gegen Kaution frei gelassen. (Stefan Brändle, Paris, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.9.2006)