Wien - Der Wissenschafter Rainer Münz, der seit 2005 für die Erste Bank arbeitet und deren Märkte durch die makroökonomische Brille des Bevölkerungs- und Migrationswissenschafters beobachtet, hält das "ökonomische Risiko in Osteuropa" für begrenzt. Abstürze, wie sie die Banken einst in Asien oder Südamerika erlebt haben, seien im Osten nicht zu erwarten, "dazu ist die EU zu stabil", meint Münz im Standard-Gespräch.

Für die Banken selbst gebe es im Osten noch genügend Betätigungsfelder. Während in Ländern wie Tschechien oder Ungarn bereits 80 bzw. 70 Prozent aller Erwachsenen (ab 15 Jahre) ein Bankkonto haben, sind es in Rumänien gerade erst 46 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich liegt diese Rate bei 98 Prozent, in Kroatien bei 84 und in der Slowakei bei 81 Prozent.

Allerdings geht die Entwicklung rasch voran: Im Jahr 2002 hatte überhaupt erst jeder dritte Rumäne ein Konto. "Wir gehen davon aus, dass es zu Ende dieses Jahrzehnts 60 Prozent sein werden", prognostiziert Münz, dessen Arbeitgeber Erste Bank Ende 2005 die Bukarester BCR gekauft hat und somit die größte rumänische Bank besitzt.

In Rumänien gelte es nun einmal, die Kunden an den bargeldlosen Zahlungsverkehr "heranzuführen, denn in vielen Unternehmen werden die Löhne an den Freitagen noch bar ausgezahlt. Und selbst dort, wo das Geld schon aufs Konto überwiesen wird, holen es sich die Leute am Montag in bar ab, weil sie in der Vergangenheit eben schlechte Erfahrungen gemacht haben", plaudert Münz aus dem Nähkästchen.

Vier Phasen gebe es beim Eintritt in Ost-Märkte; nach jener des "Vertrauen schaffen", käme jene, in der die Kunden dank regelmäßigen Einkommens erste Konsumkredite (hauptsächlich für die Anschaffung von Waschmaschinen, Autos und zur Urlaubsfinanzierung) nachfragen.

Ab einem Bruttoinlands-produkt von 10.000 Euro pro Kopf würden dann verstärkt Anlageprodukte verkauft; in der nächsten Phase folgen Vorsorgeprodukte, hauptsächlich für die Pension.

Genau auf dieses Thema setzen die Banken. Münz: "Die Altersversorgung rückt auch im Osten in den Vordergrund, weil die staatliche Vorsorge bei Weitem nicht reicht, dass die Leute ein menschenwürdiges Dasein fristen können. In der Ukraine etwa sind die Pensionen jämmerlich - die Preise liegen aber zum Teil auf westlichem Niveau." Die Zahlen dazu: In Österreich besitzen 48 Prozent aller Erwachsenen eine Lebensversicherung und/oder eine private Pensionsvorsorge - in Ungarn und Serbien nur zehn, in der Slowakei sechs Prozent.

Die Frage, inwiefern die Ost-Geschäfte jene in Österreich befruchten, beantwortet Münz so: "Diese Geschäfte haben uns in eine andere Richtung gebracht. Die Erfahrungen der vergangenen fünfzehn Jahre haben bewiesen, dass unser Geld in Bratislava und Bukarest besser angelegt ist als in Hongkong oder New York." (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.9.2006)