Erwin Steinhauer im Gespräch: "Der Einzige, der reagiert hat, war Michael Häupl, der hat gesagt, es ist jedes Wort wahr, und das tut ihm weh."

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Standard: Wie haben Sie diesen Wahlkampf bis jetzt wahrgenommen?

Steinhauer: In erster Linie über die TV-Konfrontationen und durch die ausnehmend grenzdebilen Slogans der Politiker. Der letzte Höhepunkt war die wirklich sehr lustige Westenthaler-Geschichte mit dem Halbmond. Ich hoffe doch, dass ihn das ein, zwei Stimmen kostet - aber in Österreich weiß man das ja nie.

STANDARD: Welche Chancen sehen Sie noch für Gusenbauer und die SPÖ?

Steinhauer: Ich glaube, dass sein Rückstand auf Schüssel kleiner werden kann, aber dass es bei einem gewissen Abstand auf alle Fälle bleibt.

STANDARD: Warum wurde der Film "Freundschaft", der ein recht prekäres Porträt der SPÖ zeichnet, just in der Wahlkampfendphase platziert?

Steinhauer: Für mich war der Zeitpunkt nicht wichtig, und ich dachte, wir können ihn auch im Frühjahr herausbringen. Aber dann wurde halt gesagt, es ist doch gescheiter, wenn wir die Synergie nutzen, und mehr Werbung für den Film erzielen. Übrigens wollten Werbe-Flyer für Freundschaft auch am Bundesparteitag in Linz auflegen, aber die Frau Bures war dagegen. Sie hat gesagt, man soll die Leute nicht von der Arbeit abhalten.

STANDARD: Was war schon beim gleichnamigen Kabarettstück der Ausgangspunkt für Sie und Rupert Henning? Ennui angesichts der SPÖ?

Steinhauer: Nein, der Trick ist doch, dass wir uns aus einer Nähe und aus einem Mitgefühl, einer Empathie heraus mit der sozialdemokratischen Idee beschäftigen. Ich bin ja wirklich aus einem sozialdemokratischen Haus, die Requisiten beim Stück waren eigentlich die Parteibücher meiner Verwandten. In dem Film spiele ich ja eigentlich meinen Vater, mit dem ich früher wirklich heftige Diskussionen über Wert und Unwert der Sozialdemokratie geführt habe.

Kreisky-Wein

Aber mein persönliches Erleben ist ein kleinerer Teil in diesem Film. Es ist schon auch viel Dichtung dabei. Zum Beispiel der so genannte Kreisky-Wein. Der ist eine Erfindung von Henning und Florian Scheuba. Als Andreas Rudas in der Vorstellung war, sagte er: Klar, der Kreisky-Wein, freilich hat es den gegeben! Den hat es nicht gegeben.

STANDARD: Gab es sonst noch Reaktionen von SP-Granden? Steinhauer: Lustig ist, dass von der alten SP-Riege - von Androsch bis Vranitzky - alle im Programm waren. Sie sind natürlich auch vorgekommen darin. Aber die waren alle durchwegs zufrieden.

STANDARD: Könnte man das auf ein Villacher-Fasching-Syndrom zurückführen?

Steinhauer: Ganz klar, Verdrängung, absolut. Gusenbauer war auch in der Vorstellung, kam fünf vor acht und hat im Rabenhof von 300 Leuten Applaus gekriegt. Und dann haben wir ihm nach der Vorstellung vor versammeltem Publikum das Freundschaft-Textbuch geschenkt, damit er es zu Hause mit seiner Frau nachspielen kann. Er hat uns da- für zwei SPÖ-Leiberln geschenkt ... Der einzige, der reagiert hat, war der Häupl, der hat gesagt, es ist jedes Wort wahr, und das tut ihm weh.

STANDARD: Wir würden Sie sich derzeit als Wähler gegenüber der SPÖ verhalten?

Steinhauer: Ich verhalte mich nicht gegen die Sozialdemokratie, ich muss mich gegen die amtierende Regierung verhalten, und ich sage, mir ist alles lieber als das, ich bin extrem für einen Wechsel. Und Wechsel beinhaltet vieles. Nur das, was jetzt war, will ich auf keinen Fall mehr haben.

STANDARD: Aber der Film zerpflückt bevorzugt die Sozialdemokraten ...

Steinhauer: Das war überhaupt nicht unser Hauptausgangspunkt. Es ging uns in erster Linie um einen allgemeinen Ideologieverlust, darum, dass das schwächste Glied der Mensch ist, dass die Praxis - das ist ein Satz vom Kreisky - immer der Theorie hinterher- hinkt, vor allem die sozialdemokratische Praxis; und dass das jetzt so zusammenfällt mit der Wahl, wurde bei der Erarbeitung des Stückes nicht bedacht. Meine Angst ist nur, dass nach der Wahl, nach dem 1. Oktober, die Leute von der Thematik nichts mehr hören wollen. Der Begriff "Freundschaft" verliert ja, je weiter du nach Westen kommst, vollkommen an Bedeutung.

STANDARD: Was ich als Schwäche des Stückes und des Films bezeichnen würde, ist, dass es zwischen der Position des Vaters, des Sohnes niemals einen Anklang gibt, was sozialistisches Denken abseits von seinen eigenwilligen österreichischen Ausformungen bedeuten könnte.

Steinhauer: Mag sein. Andererseits, wenn das Publikum irgendwo einen belehrenden Zeigefinger spürt und sagt, wir wissen mehr als Ihr da unten, und wir wollen euch jetzt Folgendes sagen, da machen die Leute einfach zu. Alles, was etwas irgendwie voraussetzt, hat von vornherein schon ein gewisses Problem.(DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.09.2006)