Meister Mark Hosking

Foto: Mark Hosking, Engholm Engelhorn Galerie

Auch bei "Chandelier" aus dem Jahre 2006 spielt der Künstler Mark Hosking mit Funktionen alltäglicher Gebrauchsgegenstände

Foto: Mark Hosking, Engholm Engelhorn Galerie

"Cocktail Mouse Trap" (2003)

Foto: Mark Hosking, Engholm Engelhorn Galerie

"Chanel Case Trap" (2003)

Fotos: Mark Hosking, Engholm Engelhorn Galerie

Foto: Mark Hosking, Engholm Engelhorn Galerie
Und was, wenn plötzlich alle Netze zusammenbrechen, was, wenn Kommunikation auf einmal nicht mehr übertragbar ist? Was tun, wenn auch noch die Lichter ausgehen, und der Designshop des höchsten Vertrauens ebenso zu ist, wie der Großmarkt abgebrannt? Wer bitte sorgt dann für stilvolle Beleuchtung, wer kann auch dann noch weiterhelfen, wenn sogar die Standleitung tot ist?

Angus McGyver müsste dann in der Nähe sein, sein Schweizermesser zücken, und mit Schere, Klebstoff und Papier die Bombe entschärfen. Ist er aber nicht. Und Daniel Düsentrieb hat seine Trickkiste in der Kindheit fest verschlossen. Da hilft nur mehr Mark Hosking, der britische Meister im eleganten Bewältigen auch noch der gemeinsten Disconnections. Der hat sein Survival-Kit für die posthedonistische Ära schon zusammen, hat jetzt schon eine Kniffesammlung angelegt, die Mad-Max als echt strukturkonservativ enttarnt, und dessen Feinde, die Marodeure von der Brachialtuningbande gleich mit.

Begegnung der überbordenden Dingwelt

Mark Hosking kommt nach Wien und mit ihm sein Konzept, der überbordenden Dingwelt eigenwillig zu begegnen, sich keine bestimmte Funktion aufschwatzen zu lassen: Für die Rasierwasserflasche nicht, für die Stilettos nicht, und auch nicht für die Vespa. Mark Hosking eröffnet uns den Mehrwert, zeigt, dass eine abgebrachte Glühbirne ohne großes Geschick zur Öllampe umgebaut werden kann, eine Vespa mit ein paar verchromten Rückspiegeln mehr zum König der Tänzer, zu Shiva mutiert. Außerdem werden aus handelsüblich verbauten Airbags "Growbags", was zeigt, dass Mark Hosking den ursprünglichen Zweck der Dinge weder leugnet, noch sonst wie verwerflich finden mag. Bloß, was im entscheidenden Moment die Härte des Aufpralls sanft dämpft, muss nicht weggeschmissen werden. Als flexibles Pflanzbehältnis sichert es auch noch längerfristig die Zukunft.

Basteleien kann man jetzt sagen, simples Recycling. Sicher! Aber erstens weiß Hosking-Experte Tim Stoner von noch weitaus komplexeren MyGyveresken zu berichten. "Sowohl das Schulkind als auch der Forscher weiß: der Mensch besteht zu etwa 75 Prozent aus Wasser und ohne Flüssigkeit würden die Funktionen des menschlichen Körpers innerhalb von drei Tagen versagen. Jedes mal, wenn wir trinken, wissen wir, dass unsere wertvolle Dosis H2O wahrscheinlich schon fünf oder sechs Körper durchlaufen hat, wie eine Art Urfluss, der uns an die Natur zurück bindet. Hosking parodiert unsere Beziehung zu unserem wichtigsten Baustein, indem er ein Wasser-Körper-Reinigungsgerät - einen so genannten Ascension-Filter - konstruiert. Das Gewicht und die Schwerkraft des mit hängenden Hemden gefüllten Aggregates bilden Objekte, die zur Reinigung von Körpern eingesetzt werden - gleich einer riesigen menschlichen Niere, die ungewolltes Sediment filtert, auch wenn die im Körper zurückgelassenen Schlacken die Vergänglichkeit der Kunst selbst definieren.

"Ich mag dich Schuh!"

Und also sind - zweitens - die Hoskingschen Umdeutungen Glaubensbekenntnisse: Demonstrationsobjekte dafür, dass nicht Erfindungen die Kunst vorantreiben, sondern in kleinsten Abweichungen riesige Potenziale versteckt liegen. Abweichungen nicht so sehr im Formalen, sondern darin, so einen Alltagsgegenstand aus der Distanz wahrzunehmen, sich nicht beeindrucken zu lassen von der ewig gleichen Forderung des Schuhs: "Zieh mich an!".

"Ich mag dich Schuh!", sagt Hosking, brauch dich aber nicht zum Sohlenschonen, sondern zum Nachrichten-Übermitteln. Und nicht einmal dafür. "Ich öffne jetzt, was in dir steckt, ich zeig dir deine wahren Werte." Alle Bewohner der Dingwelt sind schön. Mark Hosking weiß das. Er lässt sich nicht überrumpeln. Die Behauptung, jeder einzelne ihrer Bewohner wäre untrennbar mit seinem höchsteigenen Zweck verbunden ist Blödsinn. Der Zweck ist ein Diktat von oben. Schuhe lasst euch nichts verordnen, glaubt Mark!(Markus Mittringer/Der Standard/Rondo/15/09/2006)