Ségolène Royal ist das chronische Lächeln auf den Lippen gefroren. Die so siegessicher wirkende Präsidentschaftskandidatin der Linken bekommt erstmals wirklichen Widerstand gegen ihre Kandidatur zu spüren. Aber nicht etwa von ihren internen Widersachern wie Jack Lang oder Lionel Jospin, sondern von einer jungen bretonischen Studentin, die in der Öffentlichkeit bisher völlig unbekannt war.

Nolwenn Yven ist Mitglied der Jungsozialisten (MJS), einem Verbund klar links von der offiziellen Parteilinie. Auf einem Parteitreffen richtete Nolwenn an Royal die nicht ganz naive Frage, ob sie den Rechts-links-Gegensatz eigentlich für hinfällig erachte. Royal antwortete etwas herablassend, und als die Studentin nachhakte, verlor sie die Nerven und schnitt ihr zuletzt scharf das Wort ab.

Die seit Monaten auf einen Fehltritt Royals wartenden Medien stürzten sich sofort auf Nolwenn, und die klagte in die Mikrofone, sie fühle sich "erniedrigt". Royals Gegner ließen es sich nicht nehmen, harsche Kritik am "autoritären" Stil Royals zu üben, die nun mit einem Mal ihr wahres Gesicht gezeigt habe.

Nach Italien gereist, musste Royal darauf auch noch den Gang nach Canossa antreten und Nolwenn anrufen, um sich in aller Form bei der jungen bretonischen Genossin zu entschuldigen. (DER STANDARD, Print, 14.9.2006)