Der Fall hatte hohe politische Wellen geschlagen: Am 25. August hatten bisherigen Annahmen zufolge zwei Skin- heads in der mittelslowakischen Universitätsstadt Nitra die aus Ungarn stammende Studentin Hedvig M. zusammengeschlagen, weil sie auf Ungarisch in ihr Mobiltelefon sprach. Auf ihre Bluse hatten sie "Ungarn, verschwindet über die Donau!" gekritzelt.

Dies und andere Gewalttätigkeiten gegen Angehörige der ungarischen Volksgruppe in der Slowakei wurden weithin in den Zusammenhang mit der jüngsten Regierungsbildung in Bratislava gestellt. Nach den Parlamentswahlen im Juni holte der neue Regierungschef, der Linkspopulist Robert Fico, die Slowakische Nationalpartei (SNP) ins Kabinett. Angeführt wird diese Partei vom Rechtsextremisten Ján Slota, der für seine verbalen Ausfälle gegen Ungarn und Roma berüchtigt ist.

Verfahren eingestellt

Die Täter von Nitra wurden nicht ausgeforscht. Seit Dienstag aber ist laut Fico und Innenminister Robert Kalinák ohnehin alles ganz anders gewesen. Die Studentin habe ein durch Prüfungsangst hervorgerufenes Nasenbluten zum Skinhead-Überfall hochgespielt, behaupteten die zwei Politiker. Dafür gebe es "zahlreiche Beweise", zudem habe sich die junge Frau bei Polizeibefragungen in Widersprüche verstrickt. Deshalb sei das Verfahren eingestellt worden.

"Ich habe nur die Wahrheit gesagt", wehrte sich Hedvig M. am Mittwoch in einem Interview mit der in Bratislava erscheinenden ungarischsprachigen Tageszeitung Új Szó. Die Polizei habe enormen Druck auf sie ausgeübt, ihre Aussagen zurückzuziehen.

Új Szó und ungarische Web-Portale veröffentlichten Fotos von ihr, die kurz nach der Tat entstanden waren. Sie zeigen unter anderem eine blutunterlaufene Quetschung unter dem linken Auge, die nicht zur amtlichen Version "stressbedingtes Nasenbluten" passt.

Spitzenvertreter der slowakischen Ungarn-Partei SMK und M.'s Anwalt Gábor Gál weisen darauf hin, dass ein Amtsarzt die Studentin erst zehn Tage nach dem Zwischenfall untersucht hat - als die Anschwellungen bereits wieder verschwunden waren.

Andererseits änderte Hedvig M. ihre ursprüngliche Aussage, wegen eines Mobiltelefonats angegriffen worden zu sein. Der slowakische Mobilfunkbetreiber hatte festgestellt, dass an diesem Tag kein Gespräch von ihrem Telefon aus geführt wurde. Sie sei nach der Tat im Schock gewesen und habe sich erst später erinnert, dass sie einem Autofahrer aus Ungarn in ihrer Muttersprache den Weg erklärt hatte, sagt sie heute. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, Print, 14.9.2006)