Die „Akte Estag“ wird von der Justiz geschlossen. Die Staatsanwaltschaft fand keine strafrechtlich relevanten Handlungen. Das Justizministerium verzögert aber noch eine offizielle Bekanntgabe der Einstellung des Verfahrens.

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Graz/Wien – Das Justizverfahren im so genannten "Estag-Skandal", der das Bundesland Steiermark nachhaltig erschüttert und verändert hat, wird eingestellt. Die Staatsanwaltschaft Graz fand keinerlei strafrechtlich relevante Handlungen des ehemaligen Managements.

Das Justizministerium folgte – wie der STANDARD aus Ministeriumskreisen erfuhr – dieser Einschätzung. Zur Zeit wird im Ministerium offiziell noch ein Detail näher betrachtet, nämlich der Vorwurf, dass die Berichtspflicht ehemaliger Vorstandsmitglieder des steirischen Energiekonzerns an den Aufsichtsrat missachtet worden sei. Daraus sei aber ebenfalls kein strafrechtlich Tatbestand herauszulesen, heißt es im Justizministerium.

In Staatsanwaltschaftskreisen ist man der Ansicht, es habe insgesamt weder ein Nachweis der Bereicherung noch ein "Schädigungsvorsatz" nachgewiesen werden können.

Offiziell will eine Einstellung des Estag-Verfahrens im Ministerium noch niemand bestätigen. Vor der Nationalratswahl dürfte es daher nicht mehr veröffentlicht werden. Justizministeriums-Sprecher Christoph Pöchinger belässt es bei allgemeinen Andeutungen: "Wenn in einem Unternehmen etwas moralisch nicht in Ordnung ist, muss es noch nicht heißen, dass es strafrechtlich relevant ist."

Der "Estag-Skandal" hatte nicht nur den drei Vorständen den Job gekostet, auch ÖVP-Wirtschaftslandesrat Herbert Paierl musste auf Druck der damaligen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic und Teilen seiner Partei zurücktreten.

Der etliche Kisten umfassende Estag-Akt, an dem mittlerweile mehr als drei Jahre gefeilt wurde, durchlief alle behördlichen Instanzen. Vom zuständigen Staatsanwalt zum dortigen Leiter, von dort in die Oberstaatsanwalt und schließlich ins Justizministerium. Der Akt wurde einige Male hin und her transferiert. Der Hintergrund der Verzögerungen dürfte in der politischen Brisanz des Falles liegen, denn inhaltlich war für Juristen die Sachlage relativ bald klar.

Auslöser dieser von den lokalen Medien zum "größten steirischen Skandal der Nachkriegsgeschichte" stilisierte Causa war der ehemalige Partei- und Regierungskollege Paierls, Ex-Landesrat Gerhard Hirschmann. Er wechselte 2003 in den Landesenergiekonzern Estag und entfachte dort, bald nachdem er in die Vorstandsetage einzog, einen medialen Wirbel. Hirschmann ritt schwere Attacken gegen sein Unternehmen. Die Vorwürfe reichten von Freunderlwirtschaft, Verschwendung, Privilegien bis hin zur Bilanzfälschung. Etliche Missstände wurden vom Rechnungshof bestätigt. Strafrechtlich blieb aber, wie sich jetzt herausstellte, nichts übrig. Mit seiner Parforcejagd durchs Unternehmen hatte Hirschmann – der schließlich mit eigener Liste bei der Landtagswahl gegen seine ÖVP antrat und verlor – die politische Landschaft verändert. Der "Estag-Skandal" hatte die Wahl zugunsten der Sozialdemokraten wesentlich mitentschieden.

Unterdessen könnte einige Bewegung in die Eigentümerstruktur des Energiekonzerns kommen. Der Verbund, der den 25-Prozent-Anteil der französischen EdF (Electricite de France) übernehmen möchte, ist nicht mehr allein am Bieterfeld.

Neue Estag-Eigentümer

Die Verbundgesellschaft wird zwar von der Landesregierung als neuer Estag-Partner forciert, könnte aber ausgebremst werden, zumal die EdF nicht an den Verbund verkaufen will. Interesse am EdF-Aktienpaket soll nicht nur die deutsche Eon und RWE angemeldet haben – die ja schon in Kärnten engagiert ist. Auch die Energie Baden Württemberg AG (EnBW)hat dem Vernehmen nach ein Auge auf die Energie Steiermark geworfen. Im Hintergrund agiert aber die EdF. Die EdF ist maßgeblicher Eigentümer der EnBW, die Baden Württemberger wiederum sind als Großaktionär fest in der EVN verankert und könnten über den Estag-Deal ihre Österreichpräsenz massiv verstärken. EnBW-Sprecher Dirk Ommeln wollte im Gespräch mit dem STANDARD ein Interesse offiziell nicht bestätigen aber auch nicht dementieren: "Der österreichische Markt ist sehr interessant. Auszuschließen ist nie etwas. Unverhofft kommt oft."

Die "Akte Estag" wird von der Justiz geschlossen. Die Staatsanwaltschaft fand keine strafrechtlich relevanten Handlungen. Das Justizministerium verzögert aber noch eine offizielle Bekanntgabe der Einstellung des Verfahrens. (Walter Müller, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.9.2006)