Wien – Der Mann ist eine Berühmtheit. Wohin er auch kommt, sein Ruf eilt ihm voraus. An keinem Tresen hat er seine Ruhe. Die einen suchen seine Nähe, um von seinem Ruhm zu profitieren, für die anderen stellt er eine Herausforderung dar. Überall findet sich ein jugendlicher Hitzkopf, der seine Waffe dann doch nicht schnell genug zieht. Der Mann hat längst die Möglichkeit eingebüßt, aus freien Stücken zu handeln. Ihm bleibt nur die routinierte Reaktion, die seinen Ruf (und seine Lage) weiter festigt.
Diese Geschichte, die im Jahr 1880 angesiedelt ist und von den Schattenseiten des Startums handelt, erzählt der Film "The Gunfighter" aus dem Jahr 1950. Man muss sie gar nicht erst entschlüsseln. Ganz unverblümt wird darüber räsoniert. Er habe, meint der Mann (Gregory Peck), eben den richtigen Augenblick verpasst, um auszusteigen. Nun sitzt Jimmy Ringo in der Palace Bar in Cayenne in der Falle, und ein alter Freund, der rechtzeitig die Seiten gewechselt hat, kann nur versuchen, ihn zu beschützen.
Es ist keine singuläre Erzählung, die der Regisseur Henry King hier verfilmt hat. Vielmehr begegnet man darin einem Genre-Archetyp – dem "reluctant hero", dem (alternden) Helden wider Willen, der sich gegen bessere Absichten scheinbar ausweglos in einer Zwangslage verfangen hat, ein wandelnder Anachronismus. Um ihn herum ein noch schlecht funktionierendes Gemeinwesen, dem er doch schon als Störfaktor gilt. Und immer noch Spielraum für Widersacher, die sich ihre eigenen Gesetze machen:
In "40 Guns" (1957) von Samuel Fuller beschäftigt Barbara Stanwyck als Großgrundbesitzerin gleich eine eigene Privatarmee. Der alternde Revolverheld, auf der Durchreise zum Fluchtpunkt kleine Farm, trifft in ihr, der "high ridin' woman with a whip", ein anderes Auslaufmodell – ihr nüchternes Resümee: "Die Zeit des Wilden Westens ist vorüber."
Fürs Kino galt dieser Satz schon immer. Anhand von 38 Filmen aus der "Reifezeit des Westerns", wie es im Programmheft heißt, aus den Jahren 1946 bis 1962 wendet sich das Österreichische Filmmuseum mit Arbeiten von John Ford, Anthony Mann, Howard Hawks, Sam Peckinpah, Budd Boetticher und anderen einem wesentlichen Genre des US-Kinos zu.
Einem Genre, das seit seinen Anfängen in der Stummfilmära (Edwin S. Porters "The Great Train Robbery" von 1903 wird oft als "erster" Western genannt) eine ihm vorangehende Epoche reanimierte. Gerade in den 50er-Jahren erlebte der Western eine Blüte, so als wollte man sich nach der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs, und während außerhalb der Kinos grundlegende politische, soziale und ökonomische Veränderungen vonstatten gingen, noch einmal der alten nationalen Mythen versichern.
Mit diesem realen Außen im Hinterkopf, ordnen sich auch die Filme noch einmal neu: die Erzählungen vom Nation-Building, vom Festhalten am Glauben daran, man könne sich einer Entscheidung zwischen alter und neuer Ordnung entschlagen und vom Brüchigwerden des eigenen Status, der sich noch in den Auftritten der Anfang des 20. Jahrhunderts geborenen Stars widerspiegelt: John Wayne, Randolph Scott, Joan Crawford, Marlene Dietrich, James Stewart, Gary Cooper, Barbara Stanwyck – die Verkörperung eines Hollywood, das in den 50er-Jahren auch schon von seinem eigenen Mythos zehrte, während unter anderem das Fernsehen sich anschickte, das neue Massenmedium zu werden.
Sieht man diese Filme heute wieder, dann sieht und genießt man neben dieser Transparenz der Erzählungen auch das Banale, die materielle Beschaffenheit eines Alltags: Der Mann, der meist zu Beginn aus der Wildnis in die Außenposten der Zivilisation einkehrt, muss sich erst einmal waschen, umziehen, rasieren. Essen und etwas trinken. Zum Western gehören Tumblewheed und Staub, schlechtes Wetter, reichlich Schnaps und rote Baumwoll-Herrenunterwäsche.