Venedig - Das großflächige Plakat steht schon seit Beginn der Mostra gleich gegenüber dem Festivalpalast. Fünf Frauen sind darauf zu sehen, in schwarzer Garderobe, die Haare von einer Windböe wild zerzaust. Darüber steht in breiter Schrift Falling - das ist der internationale Titel von Barbara Alberts Wettbewerbsbeitrag Fallen, der am Montag am Lido seine Uraufführung erlebte und diese Woche auch regulär in heimischen Kinos startet.
Österreichisches Kino hat in Venedig den Ruf des Aufregers, was wohl immer noch an der Kontroverse liegt, die Ulrich Seidls Hundstage hier im Jahr 2001 auslöste. Ein Bild der Ausweglosigkeit, der Starrheit und Monotonie, die oft zitierten Verelendungszenarien blieben - nicht ganz zu Recht - bestimmend für den heimischen Film. Noch Alberts vorheriger Film, Böse Zellen, fand in der Vorstadt Wiens eine Reihe von Figuren vor, die sich mit eigener Kraft kaum aus ihren Verhältnissen zu lösen vermochten.
Fallen ist dahingehend ein viel lichterer Film. Es geht um fünf Schulfreundinnen, die sich anlässlich des Begräbnisses ihres Klassenvorstands wieder sehen: Alex (Ursula Strauss), bei einem Arbeitsamt beschäftigt; Nina (Nina Proll), schwanger und arbeitslos; Carmen (Kathrin Resetarits), Schauspielerin, schon länger in Deutschland engagiert; Nicole (Gabriela Hegedüs), auf Freigang, was aber niemand weiß - und Brigitte (Birgit Minichmayr), die einzige, die in dem kleinen Ort in Niederösterreich geblieben ist.
Schon die Wahl der Darstellerinnen und das erzählerische Arrangement - ein wenig erscheint Fallen als weibliches Gegenstück zu John Cassavetes' Husbands - machen deutlich: Dies ist ein Film, der von der Dynamik des Schauspiels lebt. Zeit und Raum sind, dem ersten Anschein nach, Nebensache: ein Tag und eine lange Nacht, strukturiert von sozialen Zusammenkünften, dem Besuch an der alten Schule, dem Leichenschmaus oder einer Hochzeit, die parallel zum Begräbnis stattfindet.
Fünf Frauen Mitte dreißig in den Mittelpunkt eines Films zu rücken, das bedeutet für Albert, das Porträt einer Generation zu fertigen, der man selbst angehört. Wie Schachfiguren stehen die Freundinnen anfangs auf der Straße, ein wenig schüchtern, beklommen. Man ahnt aber schon, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie sich öffnen und ihr Inneres preisgeben. Zur Halbzeit des Lebens werden die bisherigen Strategien überprüft. Die Utopien der Schulzeit sind merklich abgenützt, die Lebensumstände scheinen längst schon wieder viel zu unveränderbar.
Andeutungsspiel
Albert gelingt es immer wieder, dieses Gefühl des Unbehagens bemerkenswert pointiert zu treffen. Erfahrungen, Erinnerungen oder schmerzliche Verluste werden dabei eher angedeutet als ausgemalt: Vor allem Nina (von Nina Proll ungewohnt zurückhaltend gespielt) und Brigitte beeindrucken als Figuren mit leisen Zwischentönen. Wo Letztere ihre Trauer um den verstorbenen Lehrer, der zugleich ihr Freund war, verbirgt, wirkt Erstere in ihrer allgemeinen Unentschiedenheit doch sehr geerdet. Der fragmentarische Blick auf die Protagonistinnen spiegelt sich auch in der formalen Gestaltung wider:
Mit Detailaufnahmen, etwa einem Unterarm, der mit Zeichnungen voll geschmiert ist, blickt Fallen schlaglichtartig zurück in die Vergangenheit. Umgekehrt finden sich musikalisch begleitete Standbilder von Szenen, die erst passieren werden, die in ihrer Starrheit (oder dem Blickwinkel) aber mitunter das falsche Indiz liefern. Mit diesen Interventionen versucht Albert, die Kontinuität des Geschehens aufzubrechen und unterschiedliche persönliche Blickwinkel einzubringen.