"Art for Art"-Chef Josef Kirchberger mit seinen Vizepräsidentinnen Hilde Hawlicek (li.) und Christa Muttonen: Österreichische Gesellschaft für Kulturpolitik.

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Statt "Kultur für alle" fordert man nun die "Förderung der kulturellen Partizipation".


Wien - Fehlen den Sozialdemokraten "Mut, Witz, Selbstvertrauen", um eine kulturpolitische Agenda zu erstellen, wie Hans Hurch, Direktor der Viennale, am Wochenende im STANDARD ("Alte Ideen, neue Bünde ...") konstatierte? Findet "so gut wie keine öffentliche Diskussion statt, kaum ein Austausch mit Beteiligten aus Kunst und Kultur, keine Präsentation von Ideen und möglichen Strategien"?

Josef Kirchberger, erfolgreicher Geschäftsführer der Bundestheater-Service-GmbH Art for Art, widerspricht heftig. Die SPÖ pflege in ihren Vorfeldorganisationen wie der Zukunftswerkstätte sehr wohl den Diskurs. Und die Österreichische Gesellschaft für Kulturpolitik, 1992 von Exkunstministerin Hilde Hawlicek reanimiert, veranstaltete vergangenes Jahr mehrere Diskussionen zu Themen wie Filmförderung, Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, kulturelle Vielfalt und so weiter.

Kirchberger, seit einem Jahr Präsident, und Vizepräsidentin Hawlicek wollten am Montag eigentlich Harald Krassnitzer als neuen Vorsitzenden des Kuratoriums vorstellen. Doch der Schauspieler, der dem Ende 2005 verstorbenen Schriftsteller Milo Dor nachfolgt, war an Grippe erkrankt.

Christa Muttonen, die zweite Vizepräsidentin, nutzte die Pressekonferenz, um die ÖVP-Kulturpolitik der vergangenen sechs Jahre zu geißeln: Die Prioritäten seien in der Verwaltung und Verwertung der kulturellen Leistungen der Vergangenheit gelegen, ein Großteil der angekündigten Maßnahmen nur halbherzig umgesetzt worden: "Innovative kulturpolitische Akzente fehlen."

Gesellschaftspolitik

Als "Alternative" präsentierte die SPÖ-Kultursprecherin den "kulturpolitischen Fahrplan" ihrer Partei. Sie wiederholte dabei sehr vertraute Sätze wie "Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik" und "Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eine Investition in die Zukunft". Die Kulturausgaben des Bundes müssten daher über Budgetumschichtungen angehoben werden. Muttonen schwebt die Größenordnung von einem Prozent des Gesamthaushaltes vor (wie schon Mitte der 90er- Jahre). Das Institut für Kulturmanagement errechnete, dass die 741,6 Millionen Euro, die der Bund 2004 für Kunst und Kultur zur Verfügung stellte, 0,78 Prozent des Etats ausgemacht haben. Christa Muttonen plädiert also für eine Anhebung der Kulturausgaben um rund 200 Millionen Euro.

Zudem fordert sie - wie schon vor vier Jahren - eine Reform der Kulturverwaltung, sprich: die Zusammenlegung aller Kunst- und Kulturagenden inklusive der Medien in einem Ministerium. Die Arbeitsbedingungen im Kulturbereich und die soziale Absicherung der Künstler müssten verbessert werden, daher sei u. a. die Mindesteinkommensgrenze zu streichen, die gegenwärtig erreicht werden muss, um einen Pensionsversicherungszuschuss zu erhalten.

Handlungsbedarf sieht sie weiters in der "Förderung der kulturellen Partizipation aller Menschen" und im "Abbau von Zugangsbarrieren". Die kulturelle Bildung habe im gesamten Bildungssystem "vom Kindergarten bis zur Universität" integriert zu sein. Ziel sei "ein offenes kulturelles Klima, das eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen und eine aktive Mitwirkung an deren Gestaltung zulässt". Gerade der zeitgenössischen Kunst komme dabei eine besondere Aufgabe zu. Muttonen fordert auch mehr Geld für den Film, konkret für das Österreichische Filminstitut. Mit der Verdoppelung der Mittel für den vor zwei Jahren gegründeten Fernsehfilmfonds (von 7,5 auf 15 Millionen Euro), die Kunststaatssekretär Morak am Montag siegessicher für 2007 ankündigte, sei es eben nicht getan. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Printausgabe, 5.9.2006)