Wahlen, die mit einem politischen Patt enden - diese Situation gab es in den letzten Jahren nicht nur in Tschechien. Bestimmte Politikerpersönlichkeiten können die Situation dann noch verschärfen. Gerhard Schröder etwa beanspruchte vorigen Herbst das Amt des Bundeskanzlers weiterhin für sich, obwohl die CDU/CSU eine Mehrheit bei den Wahlen errang. In Italien weigerte sich im April Ex-Premier Silvio Berlusconi, den Sessel zu räumen. Das Linksbündnis hatte die Parlamentswahlen knapp gewonnen.

Auch in Amerika machten es die Wähler den Politikern nicht leicht, den Wählerwillen regierungstechnisch umzusetzen. Der Wiener Wahlkampfexperte Thomas Hofer, der das Rennen zwischen Clinton und Bush aus nächster Nähe beobachten konnte, sieht darin auch eine Folge der Amerikanisierung der europäischen Politik: "Wahlen werden immer stärker zu personalisierten Kanzlerduellen reduziert, vor allem von den Medien. Sachthemen und kleine Parteien bleiben auf der Strecke." Weil aber gleichzeitig die Persönlichkeiten, die über das eigene politische Lager hinaus strahlen, fehlen, enden sol-che Auseinandersetzungen in Pattsituationen.

In Amerika gilt: The winner takes it all - der Sieger regiert. In europäischen Demokratien führt das Verhältniswahlrecht aber dazu, dass eindeutige Regierungsaufträge schwer zu definieren sind. Laut Umfragen ist ein politisches Patt auch in Österreich nach dem ersten Oktober nicht auszuschließen. Möglich wäre, dass weder SPÖ noch ÖVP genug Stimmen bekommen, um mit einem kleinen Partner eine stabile Parlamentsmehrheit zu bilden. Da Österreich 183 Abgeordnete hat, ist eine Situation wie in Tschechien, wo es 100 zu 100 steht, aber unmöglich. Realistisch ist, dass dann die (in Tschechien fehlende) Tradition der großen Koalition wieder auflebt - gezwungenermaßen. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.9.2006)