Zeitgerecht

Kaum ein anderes Open Source-Projekt mit fixen Release-Zyklen kann sich einer derartigen Pünktlichkeit wie der Unix-Desktop GNOME rühmen: Seit mehreren Releases hat man die jeweils neue Version der Software immer haargenau am anvisierten Termin zum Download freigegeben, so auch dieses mal wieder.

Neues

Gegenüber der Vorgängerversion kann GNOME 2.16 erneut mit einer Reihe von kleineren und größeren Verbesserungen aufwarten. Auch sind wieder einige neue Komponenten in das Release Set aufgenommen worden. Im Folgenden wollen wir die wichtigsten Neuerungen etwas genauer beleuchten.

Grafik: GNOME

Aufgeräumt

Ein erster Blick auf einen frischen GNOME 2.16-Desktop zeigt, dass die Release mit einem überarbeiteten Look aufwarten kann. Sowohl das grafische Theme als auch das Icon-Set wurden einem umfangreichen Lifting unterzogen.

Aufteilungs-Fragen

Das Default-Layout des Desktops mit zwei Panels und dem hierarchischen Menü links oben ist hingegen gleich geblieben. Absehbar ist aber, dass es in einem der nächsten Release-Zyklen zu Änderungen in diesem Bereich kommen könnte. Gerade die Anpassungen, die hier Novell für seinen eigenen SUSE Linux Enterprise Desktop vorgenommen hat, erfreuen sich unter den GNOME-UserInnen einer rasch wachsenden Beliebtheit.

Screenshot: Redaktion

Themes

Im letzten Release-Zyklus hatte man es in letzter Sekunde noch herausgenommen, jetzt ist es aber soweit: Das Default-Theme Clearlooks wurde auf die 2D-Grafikbibliothek Cairo portiert. Dadurch ist es möglich Anti-Aliasing beim Interface einzusetzen, Rundungen und schräge Kanten werden nun also wesentlich "weicher" als bisher dargestellt.

Aufräumaktion

Auch bei den restlichen mitgelieferten Themes hat sich einiges getan. So wurden eine Reihe von veralteten und nicht mehr gewarteten Themes aus dem Release-Set geworfen, die übrig gebliebenen wurden ebenso wie Clearlooks auf eine Cairo-Basis gesetzt und zum Teil kräftig aufpoliert.

Screenshot: Redaktion

Ikonen

Das GNOME Icon Theme wurde einem vollständigen Redesign unterzogen. Die neuen Icons orientieren sich an den Stilvorgaben des Tango-Projekts. Außerdem folgt man nun der Icon-Theme-Naming-Spezifikation von Freedesktop.org - beides soll einen einheitlichen Look zwischen verschiedenen Desktop-Umgebungen erleichtern.

Wanda!

Der neue Style zieht sich praktisch durch alle Anwendungen, sogar der GNOME-Fisch Wanda hat einen neuen Look spendiert bekommen. Die Icons liegen nun meist auch als SVG-Vektorgrafiken vor, wodurch sie sich ohne Qualitätsverlust nach Belieben vergrößern lassen.

Zusatz

Neben den Default-Icons hat man sich aber auch den alternativen Themes gewidmet, so gibt es etwas ein neues Accesibility-orientiertes HighContrast-Theme. Mit "Mist" steht zusätzlich ein besonderes auf simplen Look ausgelegtes Theme zur Auswahl.

Screenshot: Redaktion

Evolution

Ebenfalls in die Kategorie Eye Candy fällt eine der zentralen Änderungen an der Mail/Groupware-Lösung Evolution: Auch hier hat man sich der Stärken von Cairo besonnen, um die Einträge im Kalender deutlich hübscher als bisher zu gestalten.

Aufpolieren

Der Evolution ist aber auch jenseits des Oberflächlichen eine der Komponenten, die mit besonders vielen Verbesserungen aufwarten kann. Hatte man sich in den letzten Release-Zyklen vor allem auf die Steigerung der Stabilität der in der Vergangenheit notorisch absturzfreudigen Anwendung konzentriert, so gibt es jetzt - neben zahlreichen Bugfixes - auch wieder eine Reihe von neuen Features.

Screenshot: Redaktion

Layout

Dazu gehört etwa ein Vertical Layout-Modus für den Mailer, der die Mail-Voransicht neben - anstatt wie bisher gewohnt unter - dem Folder-Inhalt anzeigt. Vor allem für BenutzerInnen von Breitbilddisplays eine wichtige Verbesserung.

Suchend

Runderneuert wurde die eingebaute Suche des Evolution: Es gibt nun ein Schnellsuchfunktion, die unter anderem flotten Zugriff auf die ungelesenen Nachrichten oder auch auf die in der letzten Zeit erhaltenen Messages bietet. Auf Wunsch können dabei alle Folder / Accounts auf einmal durchsucht werden.

Memory

Zusätzlich gab es einige Verbesserungen beim Ressourcenverbauch, so wurde etwa der Speicherhunger des Programms reduziert. Für die Zukunft gibt es hier aber noch einiges an Arbeit, so sollen mit GNOME 2.18 die einzelnen Komponenten von einander getrennt werden, so dass sie nur im Speicher sind, wenn sie auch tatsächlich aktiv sind.

Screenshot: Redaktion

Neue Module

Wie bereits zuvor erwähnt, halten mit GNOME 2.16 auch dieses mal wieder einige neue Komponenten Einzug in das offizielle Release-Set. Das wohl einhelligste "Ja" gab es dabei für den GNOME Power Manager - kein Wunder, liefern die meisten Linux-Distributionen die Software ohnehin bereits als fixen Bestandteil ihrer GNOME-Installationen aus.

Einstellungen

Vor allem für Laptop-BenutzerInnen ist der GNOME Power Manager ein wahrer Segen. In einem bewusst simpel gehaltenen Einstellungsdialog lassen sich seperate Regeln für Batterie- und Netzbetrieb festlegen, etwa wie flott das Display ausgeschalten werden soll, oder auch wann - und ob - der Laptop in den Schlafmodus gehen soll.

Screenshot: Redaktion

Aufarbeitung

Zusätzlich bietet man einen Dialog, der allerlei Informationen über den Batterieverbrauch in hübsche Grafiken verwandelt. So lässt sich leicht nachvollziehen, wie sich Änderungen an Bildschirmhelligkeit, Prozessorgeschwindigkeit oder auch ein Compile auf die Akku-Laufzeit auswirkt.

Skalierbar

Apropos Prozessorgeschwindigkeit: Für die kommende Release will man auch in diesem Bereich eine Lösung finden, so dass sich der GNOME Power Manager dann auch um das CPU Frequency Scaling kümmert und seperate Lösungen wie powernowd, cpuspeed oder powersaved unnötig werden.

Screenshot: Redaktion

Tomboy

Eine Komponenten um die es hingegen äußerst hitzige Diskussionen gegeben hat, ist das Desktop-Wiki Tomboy. Dabei ging es allerdings weniger, um die Software selber, sondern viel mehr um den Umstand, dass sie auf der freien .Net-Alternative Mono basiert.

Regelung

Nach langen Diskussion hat man sich aber dann doch dazu durchgerungen künftig auch Mono/GTK#-Anwendungen im Desktop zuzulassen. Nach C und Python wird C# damit zur dritten offiziell zugelassenen Entwicklungssprache für den GNOME-Desktop. Einzige Einschränkung: Bisher schon aufgenommene Komponenten werden bei der Einbindung von Mono-Bestandteilen wie neue Anwärter behandelt, müssen sich also erneut dem Urteil des Release-Teams stellen. Auf diese Weise will man wohl die schleichende "Monofizierung" von Kernkomponenten verhindern.

Screenshot: Redaktion

Baobab

Ebenfalls neu hinzugekommen ist Baobab. Das Tool kann dazu verwendet werden, um nachzuschauen, wohin der ganze Festplattenplatz mit der Zeit eigentlich verschwindet.

Untersuchung

Dabei können sowohl lokale als auch entfernte Verzeichnisse durchsucht werden. Zusätzlich lassen sich die dadurch erzielten Informationen in Form einer grafischen Karte aufarbeiten.

Screenshot: Redaktion

Invest Applet

Zur Reihe der Mini-Anwendungen für das GNOME Panel gesellt sich das Invest-Applet. Mit diesem kann der Überblick über aktuelle Aktienkurse gewahrt bleiben.

Grafik

Zusätzlich zum eigentlichen Applet kann der Kursverlauf auch als Grafik dargestellt werden, dabei kann zwischen verschiedenen Zeitbereichen gewählt werden.

Screenshot: Redaktion

Alacarte

Zu guter letzt hält mit Alacarte auch ein erweiterter Menü-Editor Einzug in den GNOME. Zwar gab es schon bisher einen einfachen Editor, Alacarte bietet aber wesentlich mehr Möglichkeiten. So ist nun unter anderem endlich auch die Erstellung von neuen Einträgen / Kategorien möglich.

Screenshot: Redaktion

GTK+

Zu den wichtigsten architekturellen Änderungen von GNOME 2.16 gehört das Upgrade auf die Version 2.10 des grafischen Toolkits GTK+. Dadurch ergeben sich für AnwendungsentwicklerInnen eine Reihe von neuen Möglichkeiten.

Druck

An vorderster Stelle ist dabei wohl das neue Printing-Framework zu nennen, das als - deutlich verbesserter - Ersatz für die bisher verwendete libgnomeprint(ui) konzipiert ist. Bisher sind aber noch nicht alle GNOME-Anwendungen auf die neue Lösung portiert worden, im nächsten Release-Zyklus sollen dann aber die alten Librarys engültig in Pension geschickt werden.

Screenshot: Redaktion

Ridley

Auch ansonsten sind in der neuen GTK+-Version deutlich die Spuren des "Project Ridley" zu erkennen. Dieses Unterfangen wurde gestartet um die Anzahl der zusätzlich zu GTK+ benötigten Librarys zu reduzieren und durch die zur Verfügungungstellung einer "offiziellen" Lösung eine Konsolidisierung der Plattform herbeizuführen. Beispiele sind dafür etwa die Integration einer Schnittstelle für Tabs oder auch die "Recent Files".

Auswahl

Über weitere Optimierungen freut sich auch der Dateiauswahldialog: So lässt sich optional zur gewohnten Button-Darstellung der Dateipfad nun einfach per Mausklick in eine klassischen Location-Zeile wechseln. Außerdem gab es deutliche Performance-Verbesserungen, so dass der File Selector in der neuen Version wesentlich flotter als bisher startet.

Screenshot: Redaktion

Nautilus

Einer der weiteren zentralen Bestandteile einer GNOME-Installation ist zweifelsohne der File Manager Nautilus. Dieser kann in der neuen Version mit einem wesentlich ausführlicheren Dateiberechtigungsdialog aufwarten, der nicht nur das Setzen von Berechtigungen auf ganze Unterverzeichnisse anwenden kann, sondern auch Unterstützung für die Sicherheitstechnologie SELinux bietet.

Misc

Weitere Neuerungen im Schnelldurchlauf: Die Performance wurde einmal mehr gesteigert, andererseits verbraucht die Erstellung von Thumbnails nun weniger Speicher. DVDs können nun auch "On-the-fly" - also ohne der vorherigen Kreierung eines Images - erstellt werden, im Sidebar können die einzelnen Bookmarks umsortiert werden, das Interface für die Erstellung von Progamm-Launchern wurde wesentlich vereinfacht, EntwicklerInnen werden sich über das verbesserte Erweiterungs-Interface freuen.

Screenshot: Redaktion

Terminal

Vor allem für FreudInnen des Eye Candy wichtig: Der GNOME Terminal kann nun auf Wunsch mit echter Transparenz aufwarten. Jenseits des Oberflächlichen gab es aber ebenfalls Verbesserungen, so wurde die Startzeit verkürzt, außerdem bietet das Programm nun Unterstützung für 256-Farben Terminals.

Metacity

Apropos Eye Candy: Der Window Manager Metacity hat eine Reihe von grafischen Effekten spendiert bekommen. Da diese derzeit aber erst mit wenigen Grafikkarten funktionieren, und das Ganze noch recht frisch ist, ist die entsprechende Funktionalität von Haus aus deaktiviert. Mehr sollte es dann in GNOME 2.18 zu sehen geben.

Screenshot: Redaktion

Bugs adieu

Bis dahin dürfen sich GNOME-BenutzerInnen vor allem über eine ganze Reihe von Fehlerbereingungen in Metacity freuen, so hat man etwa ein nerviges Problem mit der Fullscreen-Anzeige von Desktop-Anwendungen beseitigt. Zusätzlich gibt es jetzt nun die Möglichkeit mit Alt-F6 zwischen den einzelnen Fenstern der jeweils gerade offenen Anwendung zu wechseln. Zu den weiteren kleinen Verbesserungen am GNOME gehört die Möglichkeit Fenster aus der Taskleiste per Drag & Drop auf den Workspace Switcher auf einen anderen Desktop zu verschieben.

Deskbar

In der vorangegangen Release ist das Deskbar-Applet hinzugekommen, die GNOME-Lösung für (beinahe) jegliche Suchaufgaben. Mit der neuen Release sind die Möglichkeiten der Software erneut erweitert worden, so werden nun etwa auf Wunsch auch offene Fenster aufgespürt.

Screenshot: Redaktion

Totem

Der GNOME-eigene Media Player Totem kann in der neuen Release mit einem stark verbessertes Browser-PlugIn aufwarten. Sichtbar wird dies vor allem bei Webpages, die bisher Probleme verursacht haben, etwa solche, die explizit nach dem Windows Media Player oder dem Real Player verlangen. Zusätzlich lässt sich die URL eines Videos nun kopieren - der Download der dahinter steckenden Datei wird so wesentlich einfacher.

Epiphany

Wenn wir schon bei Webbrowsern sind: Der mitgelieferte - Mozilla-basierte - Epiphany bietet eine erste Version einer integrierten Rechtschreibprüfung. Außerdem ist der Dialog zur Darstellung der Sicherheitsinformationen einer Webpage nun ein fixer Bestandteil der Software - bisher war dies nur über eine Extension zu erzielen.

Screenshot: Redaktion

Evince

Der vor allem auf PDFs ausgelegte Dokumentanzeiger Evince kann mit der neuen Version jetzt auch OpenOffice.org Impress-Präsentationen darstellen, eignet sich also als schnelles Präsentationstool. Auch kann die Software nun mit Attachements in PDFs umgehen.

Gedit

Der Text-Editor Gedit hat ein neues Plugin spendiert bekommen, mit dem sich ein Dateibrowser direkt im Sidebar darstellen lässt. Im Zuge dessen wurde auch die allgemeine Plugin-Unterstützung weiter verbessert.

Screenshot: Redaktion

Bug Buddy

Falls doch einmal das passiert, was eigentlich nicht passieren sollte, springt der Bug Buddy ein: Die Software kümmert sich um die Sammlung von Informationen über die Abstürze von Programmen und die Übermittlung derselben an die GNOME-EntwicklerInnen.

UI-Fragen

Mit der neuen Release wurde dem Bug Buddy ein komplett neues Interface spendiert, das die Benutzung der Software erheblich erleichtern sollte. Außerdem kann die Verschickung der Crash-Infos nun auch ohne installiertem Sendmail erfolgen.

Reminder des Autors an sich selbst: Künftig solche Screenshots früher machen, Abstürze zu provozieren, wenn man sie einmal braucht, ist gar nicht so einfach...

Screenshot: Redaktion

Details

Zu all dem zuvor Erwähnten kommen noch eine ganze Reihe von Detailverbesserungen: So hat der GNOME Screensaver nun etwa einen Fullscreen-Preview, der Einstellungsdialog für den Bildschirm kann dessen Anzeige jetzt auch rotieren. Außerdem ersetzt der Screen Reader Orca die bisher verwendete Lösung Gnopernicus.

Download

GNOME 2.16 kann ab sofort von der Seite des Projekts in Form des Source Codes heruntergeladen werden. Wer sich das selbst kompilieren per GARNOME oder anderen Lösungen nicht antun will: Die neue Version wird wohl schon bald in die Entwicklungszweige der einzelnen Distributionen Einzug halten - die aktuellen Pre-Releases von Fedora, SUSE, Ubuntu, Mandriva und Co. enthalten derzeit ohnehin bereits Vorversionen von GNOME 2.16. (Andreas Proschofsky)

Screenshot: Redaktion