Rasant
Der besessene Einsatz für das rasant expandierende Online-Lexikon – früher arbeitete Pulsifer bis zu zehn Stunden pro Tag – hat ihn vom anonymen Computerfreak zur Online-Prominenz geadelt. Im wirklichen Leben ist Pulsifer eine unscheinbare Person: Er kennt keine anderen Hobbys als Wikipedia, treibt keinen Sport, hat keine Freundin und lebt noch bei den Eltern in der Hauptstadt Ottawa.
„Alle vergleichen sich mit ihm“
Aber unter Wikipedianern ist der Kanadier der unerreichte Champion: „Alle vergleichen sich mit ihm“, sagt Wayne Seawyc, Sprecher der Wikimedia Foundation. „Von ihm stammen nicht nur die meisten Einträge, sondern sie sind auch von höchster Qualität.“ Bei Wikipedia kann nicht nur jeder Nutzer Texte schreiben, sondern auch jederzeit existierende Texte bearbeiten. Der Verfasser bleibt anonym, und auch Simon Pulsiver, der kürzlich ein Geschichtsstudium abschloss, schreibt unter dem Kürzel Simon P.
„Ich finde es faszinierend, dass Millionen sofort lesen können, was ich geschrieben habe“
Es ist nicht der Autorenruhm, der ihn reizt, sondern die kostenlose, weltweite Verbreitung der Information an Menschen, die sonst keinen Zugang dazu hätten. „Ich finde es faszinierend, dass Millionen sofort lesen können, was ich geschrieben habe“, sagt er. Die Webseite von Wikipedia („wiki wiki“ heißt „schnell“ auf Hawaiianisch) gehört heute zu den welweit 20 populärsten Internetseiten
Wikipedia Wonderboy
Pulsifer ist auf dem besten Weg, eine internationale Kultfigur zu werden, auch wenn ihm das eher peinlich ist. The Globe and Mail bezeichnet ihn als „König von Wikipedia“, und für den Ottawa Citizen ist er der „Wikipedia Wonderboy“. Simon Pulsifer ist schon immer aus dem Rahmen gefallen. Als Vierzehnjähriger vergnügte er sich nicht auf dem Skateboard, sondern inszenierte die Friedenskonferenz von Jalta im Jahr 1945 – Pulsifer verkörperte Stalin. Später erfand er eigene Computerspiele. An der Universität glänzte der Sohn einer Bibliothekarin als Sieger im Wissensspiels Trivial Pursuit.
Sein erster Beitrag vor fünf Jahren befasste sich mit dem Panamakanal
Dann entdeckte er das vom Amerikaner Jimmy Wales gegründete Internet-Lexikon. Sein erster Beitrag vor fünf Jahren befasste sich mit dem Panamakanal. Seither schrieb er über die Militärgeschichte Kanadas, die Renaissance und den Marshall-Plan ebenso wie über Bibelverse. Nach dem Studium arbeitete er von morgens früh bis abends spät für Wikipedia. Heute sind es ein bis zwei Stunden täglich, weil er als Wahlhelfer eines Politikers im Einsatz ist. Er prüft aber ständig nach, ob jemand etwas an seinen Einträgen verändert hat. „Das passiert mir täglich“, sagt er. „Manchmal sind es pure Vandalen.“
Kritik
Immer wieder kritisieren Experten, dass in Wikipedia-Artikeln Irrtümer und Manipulationen zu finden seien. Simon gesteht, dass ihm auch schon Fehler passiert sind, auch wenn sein oberstes Ziel Genauigkeit heißt. „Man muss sicher Vorsicht walten lassen“, sagt er, „aber das muss man mit jedem Lexikon.“