Kollektives Strampeln für einen satten Vollmond über dem Linzer Hauptplatz: Das Kollektiv Assocreation will Passanten anzapfen.

Foto: Assocreation

Die Gruppe Assocreation spielt mit den Begriffen "Boden" und "spüren". Mit ihrem Projekt "Moon Ride" eröffnet sie am 1. September das Ars-Electronica- Festival 2006 auf dem Linzer Hauptplatz.


Linz - Seit Ende August ist Wien um ein Schwimmbad reicher. Über den Daumen gepeilt, misst es rund 12 Kubikmeter. Seinen Freischwimmerausweis kann man hier wohl trotzdem kaum machen. Dafür nimmt das "Instant-Schwimmbad", eine umfunktionierte Bauschuttmulde, in der Schönbrunner Straße kaum mehr Platz weg als ein Parkplatz.

Das Wiener Straßenbad, das mit echtem Donaukies den Strom quasi mitten in die Stadt holt, hat das österreichische Künstlerkollektiv "Assocreation" gemeinsam mit der aus Brooklyn stammenden Gruppe "Fantastic Nobodies" aufgestellt.

Ein spontan umgesetztes "Summer-Splash-Projekt für zwischendurch", das auf humorige und plantschfreuden-bringende Art auf die zahlreichen neuen "Strände" und "Badeschiffe" am Wiener Donaukanal und die andererseits immer mehr verschwindenden öffentlichen Tröpferlbäder reagiert. Sowohl die Funktion der Mulde als auch der Ort des Badens wird hier verrückt: Das anonyme und private Baden, womöglich hinter Thujenhecken, wird dem Blick der Öffentlichkeit preisgegeben und nicht nur mit dem Faktor Spaß aufgeladen.

Im kommenden Jahr würde Assocreation die Straße gerne mit 20 bis 30 "virtuellen Baustellen zupflastern", um so der Idee vom Swimmingpool vor jeder Haustüre ein wenig näher zu kommen.

Die Ideen und Assoziationen der Künstler zu ihrem Instant-Pool sind ebenso bunt wie vielseitig: Assocreation tritt zwar als anonymes Kollektiv auf, die Meinungen der Mitglieder sind aber nicht auf Schiene gebracht, keinesfalls doktriniert: "Wir sind ja keine Sekte." Seit 1997 ist die Gruppe, in wechselnder Besetzung von Architekten, Grafikern, Künstlern und Förstern (!), am Verhältnis des urbanen Bewohners zum ihn umgebenden Raum interessiert.

Diese Neugierde lässt sich sogar auf zwei Begriffe reduzieren: auf den Boden auf dem wir stehen, gehen, leben, den sie verändern und manipulieren und dadurch für uns neuartig spürbar machen. Das sind die Parameter, die für die Gruppe mit dem Credo "viele Füße, keine Köpfe" wichtig sind. Der kollektive Unwille, als Einzelpersonen aufzutreten, hat nichts mit Eitelkeit zu tun. Das verdeutlichen Projekte, die die Betrachter in die Arbeit so weit involvieren, dass sie zu einem ebenso wichtigen Faktor werden, wie die agierenden Künstler.

Etwa wenn Assocreation - sozusagen als Friedensbote - mit aus dem Boden herausgelösten Drainagerohren das Wörtchen Frieden auf Englisch "freedom" (2005) oder türkisch "hürriyet" (2006) auf Zäune montiert. Wenn das Kollektiv wie in "Pink Prints" (2005), den Dreck der Straße mit viel Farbe und mithilfe von Sohlen und Absätzen hunderter Passanten auf Textilem verewigt. Wenn es uns, auf Fleischerhaken gehängt, vorführt, wie es ist, den Boden unter den Füßen zu verlieren (2005). Oder wenn es wie in "Common Ground" (2002, Preis der Kunsthalle Wien), Betonplatten auf Stahlfedern schweben lässt, damit jeder, der die Platten betritt, Schwingungen auslöst und mit anderen so in Kommunikation treten kann.

Am bekanntesten ist aber wohl "Bump", eine Installation, für die Assocreation 2001 den Prix Ars Electronica im Bereich interaktive Kunst gewonnen hat: In Linz und Budapest war je eine Holzrampe mit beweglichen Planken aufgebaut, die miteinander per Datenleitung verbunden waren. Wer in Linz eine "Taste" betrat, gab den Impuls in seinem Negativ - als Ausbuchtung - nach Budapest weiter.

Nicht weniger faszinierend und daher ideal zum diesjährigen Thema "Simplicity"der Ars Electronica passend, ist das Projekt "Moon ride" mit dem die Ars am Linzer Hauptplatz gestartet wird.

"Schwitzen, alles geben, und dann geht ein Licht auf", fasst Assocreation zusammen. Konkret können auf 105 Fahrrädern bzw. Andockstellen Passanten kollektiv in die Pedale treten und derart "ein riesiges Kraftfeld" erzeugen. Am Nachmittag speist ihre Muskelkraft noch einen Akku, bei voller Ladung wird abends in den Livebetrieb umgeschaltet: 5000 (gemütlich) bis 15.000 Watt (Radler in Ekstase) bringen dann einen riesigen Ballon als Mond, der über den Dächern von Linz schwebt, zum Leuchten und das Linzer Zentrum zum Surren - ein Happening, dessen Variablen zwar von Assocreation vorgegeben, aber von den freiwilligen Akteuren und dem "Moderator" des Abends, Hubsi Kramar, spontan verändert und zu etwas Unvorhersehbarem umgewandelt werden kann: Auf mögliche Überraschungen ist Assocreation sehr gespannt. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.8.2006)