Bern - Die Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs in der Schweiz wird weiter vertagt: Der Ständerat, die zweite Kammer edes Eidgenössischen Parlaments, hat am Dienstag die Nationalratsvorlage für die Einführung der Fristenlösung mit 25 zu 18 Stimmen an die zuständige Kommission rückverwiesen. Sieben Jahre nach der erneuten Lancierung der Diskussion um die Fristenlösung sind damit die Hoffnungen der Befürworter auf einen bevorstehenden Durchbruch in der Schweiz verpufft. Eine Allianz von Christlichdemokratischer Volkspartei (CVP), Schweizerischer Volkspartei (SVP) und Freisinnig-Demokratischer Partei (FDP) folgte dem Antrag des Berner SVP-Ständeratsabgeordneten Samuel Schmid, der das Geschäft zeitlich mit der Beratung der Volksinitiative "Für Mutter und Kind" koordinieren wollte. Dabei solle eine Rechtsgüterabwägung zwischen den Interessen der Frau und denen des werdenden Lebens vorgenommen werden. Justizministerin Ruth Metzler sah in der Koordination der beiden Vorlagen "einen gewissen Sinn". Vor der Behandlung der Volksinitiative hätte die Regierung jedoch gerne die Position des Ständerates gekannt, sagte sie. Die Debatte habe aber keine klare Mehrheit für das eine oder andere Modell gezeigt. Die Kommissionsmehrheit schlug vor, dem Nationalrat zu folgen und sich hinter das Modell einer Fristenlösung zu stellen. Diese würde einen straffreien Schwangerschaftsabbruch in den ersten 14 Wochen nach Ausbleiben der Periode ermöglichen. Eine Minderheit und Bundesrätin Ruth Metzler plädierten für ein Schutzmodell mit Beratungspflicht, wie es von der CVP aufs Tapet gebracht worden war. Anträge lagen auch zu einer erweiterten Indikationenlösung sowie einer Reduktion der Entscheidungsfrist von 14 auf 12 Wochen vor. Eine Ratsminderheit unter Führung des Zürcher SVP-Rates Hans Hofmann wollte den Status quo beibehalten und gar nicht erst auf die Vorlage eintreten. Sie unterlag jedoch mit 35 zu sechs Stimmen. Die Schweiz im internationalen Vergleich Während sich das Schweizer Parlament mit der Frage des Schwangerschaftsabbruches schwer tut, haben die meisten Länder Europas inzwischen die Fristenlösung eingeführt. Weltweit ist ein Trend zur Liberalisierung der Abtreibung festzustellen. Die Fristenlösung existiert in der Mehrzahl der Länder Ost-und Westeuropas, so auch in allen Nachbarländern der Schweiz. In Deutschland besteht seit 1996 eine Beratungspflicht. Erweiterte Indikationsmodelle, mit medizinischer und teilweise sozialer Indikation, werden in Finnland, Island, Grossbritannien und - de facto - in der Schweiz angewendet. Restriktive Gesetze bestehen in Spanien, Portugal, Polen und Irland: Hier sind Eingriffe nur bei Gefährdung der Mutter erlaubt. Abtreibungspille Mifegyne Die Abtreibungspille Mifegyne (RU 486) zugelassen haben Frankreich, Grossbritannien, Schweden, Deutschland, die Niederlande, Griechenland, Österreich, Belgien, Dänemark, Spanien, Finnland und die Schweiz. Gesetz und Praxis klaffen auseinander In der Schweiz klaffen Gesetz und Praxis in Sachen Schwangerschaftsabbruch weit auseinander. Abtreibung ist laut Gesetzbuch von 1942 Artikel 118-121 untersagt. Nur bei der Gefahr schwerer gesundheitlicher Schäden für die Mutter ist sie möglich; die Gefahr muss durch einen zweiten vom Kanton bestimmten Arzt bestätigt werden. In Praxis gingen aber immer mehr Kantone zu einer liberalen Praxis mit weit gefasster sozialer Indikation über. Das Resultat ist eine Rechtsunsicherheit in Sachen Schwangerschaftsabbruch. In der Schweiz werden jährlich etwa 12-13.000 Abtreibungen vorgenommen, 1971 waren es 16-17.000. Die letzten vier Verurteilungen wegen illegaler Abtreibungen gab in den Achtziger Jahren. (APA/red)