20 Serpentinen oder Zeit der Schmerzen: Der Monte Grappa.

foto: dahl
Was bisher geschah: Wir haben in letzten Geschichte einen Pass erklommen, der 1011 m über dem Meeresspiegel liegt.

Das ist keine besonders heroische Leistung, weshalb noch ausgerastete Kalorien uns sprungbereite Kohlenhydrate bleiben, und der radelnde Tourist kommt drauf, dass er ES jetzt aber wissen will, ohne zu wissen, was "es" sein könnte. Der Scientific Eissalon-Test nicht, weil der ist in normaler Urlaubsdauer in Italien nicht zu schaffen, wenn man nicht stoned von hervorragendem Limonen- oder Bitterschokolade-Eis aufgefunden werden will, also sucht man sich eine neue Aufgabe.

Monte Grappa.

Klingt gut, sagen die meisten, und selten baut sich der Übergang einer Tiefebene zu den Alpen so drastisch vor dem Vorderrad auf wie hier.

Die Straße von Semonzo ist steiler, sagt man. Auch schon egal, sagen wir, und starten los. Immerhin wird dieser Straße auch nachgesagt, die schönere zu sein, derlei mildert die Schmerzen vorauseilend.

Denn die Schmerzen kommen bei über 20 km Steigung unabwendbar. Man startet einen Hauch über dem Meeresspiegel (207 m, exakt), und der Gipfel liegt auf 1736 m. Wer schon davor leidet, lässt den Gipfel aus und rollt schon ab 1495 m wieder talwärts, aber wir sind noch lange nicht so weit.

Vorerst müssen 20 Serpentinen niedergerungen werden, mit fantastischem Blick ins Tal. Nach drei Tunnels sind wir endgültig in den Dolomiten angekommen, was die Straße nicht flacher macht, aber die Umgebung grüner und seltsam saftig, zumindest im Vergleich zum heftig strampelndem Radfahrer, der sich innen wie außen schon etwas vertrocknet fühlt. Man überlegt, ob es vielleicht besser wäre, im Herbst wieder zu kommen, da ist der Berg zwar nicht flacher, aber kühler.

Wer den Pass auf 1495 m niedergestemmt hat, wird nur in krassen, körperinternen Notfällen auf den Gipfel verzichten. Der liegt rund 4 km weiter links und 240 Hm weiter oben und lässt keinen Zweifel daran, dass hier Geschichte geschrieben wurde: Der gesamte Monte Crappa war im Ersten Weltkrieg heftig umkämpft, den Wahnsinn des Krieges zeigt das Monument, dessen Pomp und schaurige Größe zweifelsfrei erkennen lassen, dass es in faschistischen Zeiten errichtet wurde: Hier liegen tausende Soldaten begraben, zu den Grabbauten der Italiener führt eine Straße der Sieger.

Vom Monte Grappa rollen wir talwärts zum Monte Pallone (1236 m) und zum Monte Tomba (852 m), die wunderbar verlassen durch die Landschaft mäandernde Straße passt hervorragend zur scheuen, stillen Landschaft. Dass sie wider Erwarten auch zwei heftige Steigungen vor uns aufbaut, passt weniger zu unserem Gesamtzustand, und mancher Radfahrer soll vor der Steigung leise weinend vom Rad gesunken sein.

Anders lässt sich die Existenz des kleinen Teiches nicht erklären, in dem die Kühe baden. (Text & Fotos: Dietrich P. Dahl, derStandard.at, 15.8.2006)