Zeichnungen österreichischer Architektur in China: Wilhelm Holzbauers "Helicopter Building" (1960).

Foto: Katalog
Peking - Die Museumsleiter in Kanton, wohin die zurzeit in Peking gezeigte und von Hans Hollein kuratierte österreichische Ausstellung Sculptural Architecture ab Mitte Oktober hinwandern wird, "lachten sich zuerst einmal schief". Holleins Assistentin Eva Jussel, die die Ausstellung für beide Städte vorbereitete, erinnert sich noch gut an amüsierte Gesichter, als sie im Frühjahr in Kanton zum erstenmal die Planung für die Schau vorstellte.

Die Ausstellung sollte einen großen Bogen schlagen von Österreichs klassischer Baukunst bis zur zeitgenössischen skulpturalen Architektur. Aber warum seien darunter auch 17 Modelle von Einfamilienhäusern? Für die südchinesischen Kulturverantwortlichen schien es eine komische Vorstellung zu sein, dass sich bekannte Architekten damit abgeben, Einfamilienhäuser zu entwerfen. In China überlasse man solche Arbeiten anonym bleibenden Serienzeichnern in Baugesellschaften. Architekten von Ansehen bauten Superdomes, Stadien oder avantgardistische Messegelände.

Als Eva Jussel ihnen dann aber die Fotos der Entwürfe und Modelle zeigte, wendete sich das Blatt "Die fanden die Idee nach einigem Nachdenken super. Wohnhäuser mit individueller Typologie - das war mal was anderes."

Die Probe aufs Exempel fand jetzt in Peking statt. Österreichs Ausstellung macht Furore mit (und auch wegen) ihren Einfamilienhäusern. Eine Woche nach dem Soft Opening am vergangenen Samstag und der offiziellen Eröffnung am Dienstag zog Fan Dian, Direktor der Pekinger Nationalgalerie (Namoc) dem Standard gegenüber erste Bilanz. "Wir ziehen mit dieser Ausstellung viele junge Besucher und Familien an." Architektur sei für sie bisher immer nur die Vorstellung mächtiger Bauwerke gewesen, die ohne direkten Bezug zu ihrem Leben standen. "Hier erleben sie sie auch als angewandte Kunst."

Die Modelle der Häuser faszinierten sie besonders. "So zu wohnen ist zwar ein Ideal, das sich die meisten nicht leisten können und für das es in China nicht genug Land und Boden gibt. Aber man kann davon träumen."

Die vielen Modelle lassen die Betrachter in die Baukunst der verschiedenen Epochen buchstäblich hineinblicken. Manche seiner Landsleute seien einfach nur neugierig gewesen. Sie hatten bisher mit Österreichs Kultur immer nur Musik assoziiert. "USA und Frankreich waren für uns die Länder der Architektur. Aber Österreich kann da auch mitspielen."

Offenbar eigennützige Motive verfolgten Besucher, die nicht nur mit Kameras, sondern gleich mit Stativen und professionellem Fotozubehör anrückten und die dreidimensionalen Modelle aus jedem Winkel knipsten. "Das Abfotografieren war wirklich extrem", fiel Eva Jussel auf. Auch Kurator Hollein und Mitarbeiter der Botschaft machten sich ihren Reim darauf. Einige österreichische Bauwerke werden mehr oder weniger ähnlich in nicht allzu ferner Zukunft auf chinesischem Boden ihre Wiedergeburt erleben. (Johnny Erling aus Peking /DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.8.2006)