Wien – Wie schwierig der EU-Meinungsbildungsprozess sein kann, zeigt sich auch an den kleinen Beispielen ganz unten, die Rede ist vom Schuhwerk. Um den Billig-Schuhimporten aus China und Vietnam einen Riegel vorzuschieben, hat die EU-Kommission Ende Juli neue Strafzölle vorgeschlagen.

Zehn Prozent sollten fortan auf die importierten Treter aus Vietnam aufgeschlagen werden, 16,5 Prozent auf jene aus China. Doch 14 der 25 EU-Staaten sprachen sich erst in der Vorwoche aus unterschiedlichen Gründen gegen den Plan aus. Nun geht die Antidumping-Debatte wohl oder übel in die nächste Runde. Bis Anfang Oktober muss eine Lösung gefunden sein, weil dann die seit Jahresbeginn geltende Regelung provisorischer Strafzölle von bis zu 16,8 (für Vietnam) bzw. 19,4 Prozent (für China) ausläuft.

Verteidigung der Strafzölle

Die EU-Kommission verteidigt die Strafzölle mit dem Hinweis auf staatliche Zuschüsse für chinesische und vietnamesische Schuhfabriken. Davor müsste die EU-Schuhindustrie geschützt werden. Ohnehin würden die Zölle nur auf Importmengen gelten, die über den erlaubten Einfuhrquoten liegen.

EU-Länder mit einer starken Schuhbranche wie Italien, geht dieser Plan der Kommission nicht weit genug, sie fordern durchaus höhere Aufschläge. Demgegenüber stehen etwa die skandinavischen Länder auf dem Standpunkt, dass Strafzölle dem Freihandelsgedanken widersprechen. Und China und Vietnam argumentieren, dass Hersteller wie Adidas oder Puma in Asien produzieren lassen, um die Fertigware billig nach Europa zu exportieren. Auch der Europäische Verband der Schuhimporteure und Handelsketten, dessen Mitglieder rund 50 Prozent des Schuh-Importvolumens der EU repräsentieren, spielt diese Karte. Geschäftsführer Paul Verrips sagt, dass die Antidumping-Maßnahmen "gegen die Interessen der europäischen Konsumenten und der Schuhindustrie" sind. Und auch aus dem Schuhhandel hatte es heftige Proteste gegen die Schutzzölle gegeben.

Starke Player lehnen "Schutz" ab

Hintergrund: Starke Player in der Schuhbranche lehnen den "Schutz" vor Billigimporten ab, weil sie sich ohnehin längst zweite Produktionsstandbeine in Asien geschaffen haben. Verhängt die EU Strafzölle gegen China oder Vietnam, ist in aller Regel davon auszugehen, dass auch EU-Firmen geschädigt werden, die ihre Produktion verlagert haben. "Antidumping-Maßnahmen sind heute wesentlich schwieriger geworden", sagt Sektionschef Josef Mayer, im Wirtschaftsministerium für die Außenhandelspolitik zuständig. Früher gab es Auffassungsunterschiede zwischen Schuhindustrie und Schuhhandel. Heute, so Mayer, "sind nicht einmal die Produzenten mehr einer Meinung". Hersteller, die ihre Produktion nach wie vor nur in Europa hätten, pochten auf die Strafzölle. Aber ewig könnten "marode Industrien" nicht vor den Entwicklungen der Globalisierung geschützt werden, sagt der Spitzenbeamte. (Michael Bachner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.8.2006)