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Eine chinesische Familiengeschichte, von den Vierzigern bis in die Zeit nach der Kulturrevolution, vier Jahrzehnte, von Zhang Yimou in einem filigranen filmischen Schattenspiel erzählt. Um das Leben geht es. Ein Leben, in dem der Tod allgegenwärtig ist: Zwei Kinder haben Jiazhen und ihr Mann Fugui, beide werden Opfer der gesellschaftlichen Umbrüche, und das Rot ihres Blutes vermischt sich mit dem revolutionären Rot der Fahnen und Plakate.

Das Schattentheater wird zur Metapher für den politischen Wandel: Am Anfang, singt und musiziert Fugui in der Bar, in der er gerade das letzte Hab und Gut seiner Familie verspielt hat, zu den Szenen im Schattenriss, die dort mit den Stabfiguren aufgeführt werden. Später wird man ihm die Kiste mit den Spielpuppen überlassen, damit er sich mit ihnen seinen Lebensunterhalt verdienen kann. Und so wie sich im Laufe der Jahre die gespielten Stücke von frivolem Liebesspiel über Kampfspektakel zur revolutionären Propaganda wandeln, passt sich auch seine tapfere kleine Familie erstaunlich geschmeidig an. Mehrmals gelingt es ihnen, die Puppen vor der feindlichen Übernahme durch die revolutionären Kräfte zu bewahren, bevor sie dann in den 60er-Jahren auf dem Scheiterhaufen der Kulturrevolution doch verbrannt werden.

Sie wünsche, sagt Jiazhen, sich nichts als ein ruhiges gemeinsames Leben... Leben! gehört zu den kleinen stillen Familiengeschichten, die Zhang Yimou gern unter seine Melodramen und Schlachtengemälde streut. Und seine langjährige Lebensgefährtin Gong Li, die oft die glamourösen Diven gibt, ist als Jiazhen eine ganz einfache und erdige, zähe und tapfere Bauersfrau.

Den Aufgeregtheiten von Politik, Krieg und Revolution setzt Zhang Yimou den episch langen Atem des Erzählens entgegen, und die schier unmenschliche Duldsamkeit seiner Helden. So wie diese mussten sich auch die jungen chinesischen Filmregisseure immer wieder zwischen trickreichen Finten und wendiger Anpassung mit den wechselnden politischen Verhältnissen arrangieren. Während Leben! in China verboten war, wurde seinem Regisseur im Westen vorgeworfen, allzu versöhnlich mit der Historie vorzugehen. Zhang Yimou entzieht sich beidem, der rastlosen Hektik und der überdeutlichen Propaganda - daraus entwickelt dieser Film seine eindringliche Kraft. (Anke Sterneborg / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.8.2006)