Der Österreich-Patriotismus (kurz: ÖP) hat Konjunktur. Es gibt linken ÖP und rechten ÖP, es gibt ratlosen und taktischen ÖP. Und wer kein ÖP-Fan ist, macht sich unbeliebt. Das freut all jene, denen die Volksgemeinschaft ein Wert ist. Und es freut auch alle, die ablenken wollen von Sozialabbau, von einer neodarwinistischen Politik, die die Stärksten stützt und den Schwächsten an ihrem Scheitern selbst Schuld gibt, von einer Politik also, die alles andere tut, als innerhalb eines sozialen Gefüges ausgleichend zu wirken. Die nicht regierenden ÖPs wollen die Sanktionen wegbekommen, weil das erstens ihren Umfragedaten nützt und zweitens die Chancen der regierenden ÖPs mindert, ihre Politik zu überdecken und xenophobe Stimmungen zu schüren. Dafür wird schnell vergessen, dass die Sanktionen und vor allem der wirklich relevante Imageschaden für Österreich einen hausgemachten Grund haben: nämlich unsere ÖP-Regierung und deren Umgang mit der Nazi-Vergangenheit und solchen Menschen, die nicht der österreichischen Volksgemeinschaft angehören. Die rechten ÖPs verlangen, dass man offiziell gegen die Sanktionen auf- und damit für die Regierung eintritt, doch kaum gibt es Ansätze, einzelne Sanktionsmaßnahmen zu überdenken oder einen neuen Mechanismus zu schaffen, werden diese blitzschnell als unzumutbar zurückgewiesen. Also wollen die nicht regierenden ÖPs die Sanktionen wegbekommen, obwohl es sich eigentlich um Maßnahmen gegen die regierenden handelt. Also nützen diese die Sanktionen gegen sie als Hilfe zur Durchsetzung ihrer Politik und ihrer Weltanschauung. Fragen über Fragen - und ein Tatbestand Und die EU-Staaten sind ratlos. Wem hilft es, wenn sie die Sanktionen abschaffen, wem, wenn sie bleiben? Momentan sieht es danach aus, dass der ÖP-Regierung ein sehr weitreichendes Kompromiss-Angebot gemacht wird. Aber ob vor allem die FPÖ bereit sein wird, darauf einzugehen? Wird sie sich die Chance mit einer Volksabstimmung weiter Stimmung zu machen, nehmen lassen? Und: welche neuen politischen Vehikel wird sie finden, um mit Duldung der ÖVP dieses ÖP-Gefühl zu schüren? Jedenfalls sollen Nicht-ÖPs auf Anregung eines einfachen Parteimitglieds aus Kärnten bestraft werden. Der Justizminister fand das "prüfenswert". Der Widerspruch anderer Regierungsmitglieder blieb aus. Ich gehöre zu dieser potenziellen Täter/innen-Gruppe, Also erscheint es mir nur konsequent, mich - wie folgt - gleich selbst anzuzeigen: Ich ersuche, einige Textstellen meines Kriminalromans "Wahlkampf" auf den Tatbestand des Paragraphen 248 des Strafgesetzbuches hin zu überprüfen. Begründung: In diesem Buch wird dem "alten Präsidenten" von der Hauptfigur, einer gewissen Mira Valensky (man beachte den Namen!), nachgesagt, nach dem Krieg sein NS-Parteibuch zerrissen zu haben. Der "alte Präsident" ist eine Figur, die natürlich mit Österreich gleichgesetzt werden muss. Dies lässt sich schon daraus ableiten, dass sich auch die real existierende ÖP-Regierung immer wieder mit Österreich gleichsetzt (vgl. dazu diverse Aussagen über die "Sanktionen gegen Österreich" sowie diverse Aussagen über die "Österreich-Vernaderung" im Zusammenhang mit kritischen Äußerungen gegen die Regierung im In- und auch im Ausland). Und was für die Regierung recht ist, kann wohl für den ersten Mann im Staate nur billig sein: Das Delikt der Herabwürdigung Österreichs wurde begangen, indem der "alte Präsident" in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt wurde. Während die Bezeichnung alter oder neuer Präsidenten als "Hump" oder "Dump" als Zeichen typisch österreichischer Kreativität gewertet werden muss, gilt es zur Passage "und gänzlich hatte er wohl vergessen, wie er am Ende des Zweiten Weltkrieges sein NS-Parteibuch zerrissen (...)" festzustellen: Österreich hatte mit dem Nationalsozialismus natürlich nie etwas zu tun, da Österreich zu dieser Zeit gar nicht existiert hat. Sträfliche Ironie, gefährliches Rütteln Daher ist es auch ganz und gar unzulässig, den "alten Präsidenten" dafür zu kritisieren, dass er nach der Nazi-Zeit sein Parteibuch zerrissen und das Ganze vergessen habe. Etwas, das in Österreich mangels der Existenz Österreichs gar nicht stattgefunden haben kann, kann auch nicht - ehrlich oder bloß vorgetäuscht - vergessen worden sein. Und sollte es sich - gänzlich ohne Zusammenhang mit Österreich - doch ereignet haben, dann ist es jedenfalls eine sträfliche Herabwürdigung, dieses Vergessen ironisch infrage zu stellen. Denn (vergleiche den Ausspruch des niederösterreichischen FPÖ-Vorsitzenden Ernest Windholz von Ehre und Treue, der ihm "spontan" angesichts alter FPÖ-Veteranen eingefallen ist und die spätere Begründung der FPÖ-Generalsekretärin Elisabeth Zierler "Es ist ihm etwas ausgerutscht, von dem er nichts wusste."): Vergessen und Nichtwissen infrage zu stellen hieße ja nun wirklich, an den Grundfesten Österreichs im Allgemeinen und an denen der ÖP-Regierung im Besonderen zu rütteln. Eva Rossmann ist Autorin und Publizistin und beteiligt sich an der Aktion "Selbstanzeige wegen Verdachtes der Herabwürdigung des Staates" der IG Autorinnen-Autoren.