Berlin - Israel trage im Nahost-Konflikt die Hauptverantwortung, nicht nur für die Lage der Palästinenser, auch für die vielen Verluste auf israelischer und libanesischer Seite, erklärte Fanny-Michaela Reisin von den "Europäischen Juden für einen gerechten Frieden" (European Jews for a Just Peace/EJJP) in einem Interview mit der deutschen Zeitung "Freitag". "Die israelische Armee gehört zu den technisch am Besten ausgerüsteten der Welt. Eine solche Politik, die allein auf militärische Gewalt setzt, produziert eine Feindseligkeit, die zerstörerisch ist. Viele Libanesen kennen Israelis nicht anders als Zerstörer, Eroberer und - das muss man einfach sagen - als Kriegsverbrecher", bedauerte die in Jerusalem aufgewachsene Tochter eines Berliner Juden, der vor den Nazis geflohen war, und einer Zionistin aus Wien.

Dem Zentralrat der Juden in Deutschland warf Reisin vor, Israel blind zu unterstützen: "Der Zentralrat verwechselt seine Rolle offenbar mit der des israelischen Botschafters. Das ist verantwortungslos. Als Beobachter von außen könnte er stattdessen eine Korrektivfunktion haben." Es sei "geradezu notwendig, Druck auf die hiesige (deutsche) Regierung auszuüben. Sie muss versuchen, Israel mit allen politischen Mitteln zu Verhandlungen zu bewegen und auf eine Waffenruhe im Libanon hinzuwirken. Das ist - ich betone es immer wieder - auch im Interesse der israelischen Bevölkerung."

Niemand wolle Israel das Recht auf Selbstverteidigung absprechen, so Reisin. "Jede Regierung hat die Pflicht, die eigene Bevölkerung zu schützen". Israel sei frei, "eine meinetwegen bis zu 100 Meter hohe Mauer entlang der eigenen Grenze von 1967 zu errichten. Dort kann es das gesamte Militär und seine Rüstungstechnologie so postieren, dass die Grenze hundertprozentig abgesichert ist (...) Aber dadurch, dass Verhandlungen sowohl mit der Hamas als auch der Hisbollah ausgeschlagen werden, ist die Unsicherheit für die eigene Bevölkerung doch so unsäglich groß. Die jetzigen Kriegsattacken gegen Gaza und Libanon sind im Grunde eine Aussetzung der UN-Charta. Auf ihr beruht aber unser aller Zusammenleben, ansonsten sind nicht nur die Menschen im Nahen Osten in Gefahr."

"European Jews for a Just Peace" ist eine Vereinigung von 18 jüdischen Organisationen in zehn europäischen Ländern, Österreich, Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Schweden und Schweiz. (APA)