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Spionage oder Schlamperei? - FBI prüft Festplatten aus Los Alamos
"Äußerst beuruhigende Fragen" - Bush macht Clinton für "Chaos" verantwortlich
In das Aufatmen mengt sich Entsetzen. Zwar wurden die brisanten Festplatten aus Los Alamos wieder gefunden, doch
das Vertrauen in die Sicherheit der amerikanischen Atomgeheimnisse ist erschüttert. Es blieben eine ganze Reihe "äußerst beunruhigender
Fragen", stellte der Vorsitzende des Senats-Geheimdienstausschusses, Richard Shelby, fest. Ob es Spionage oder schlicht Schlamperei war,
steht dabei noch nicht fest.
Unmittelbar nachdem die Festplatten unter mysteriösen Umständen hinter einem Kopierer wieder gefunden wurde, entbrannte in den USA die
politische Debatte über schärfere Sicherheitsvorkehrungen mit neuer Kraft. Der republikanische Präsidentschaftskandidat George Bush
sprach von einem "Chaos" und machte die Regierung von Präsident Bill Clinton verantwortlich. Er versprach, unter seiner Regierung werde es
keine Sicherheitslücken mehr geben.
ein Familienproblem
Nach Angaben der "Washington Post" vom Sonntag handelt es sich dabei aber um ein Familienproblem. Bushs gleichnamiger Vater habe in
den letzten Tagen seiner Amtszeit als Präsident die Sicherheitsregeln gelockert, um die Bürokratie zu verschlanken. So ordnete er 1992 an,
dass nur noch über Dokumente mit dem Vermerk "Top Secret" (Streng Geheim) genaue Register geführt werden mussten. Die nur als
"secret" (Geheim) eingestuften Festplatten konnten dagegen von 26 Wissenschaftlern in Los Alamos unbeaufsichtigt aus dem Bunker geholt
werden. Insgesamt 83 Personen hatten Zugang zu dem Bunker.
Sie wurden am Wochenende vom FBI einem Lügendetektortest unterzogen. Nach Medienberichten verwickelten sich einige der
Wissenschaftler dabei in Widersprüche, drei seien bei dem Test durchgefallen, hieß es. Es sei aber nicht klar, ob dies eine Verwicklung in den
Fall bedeute. Eine der wichtigsten Aufgaben für das FBI war zunächst, die Festplatten von der Größe eines Spielkartensets auf
Manipulationen zu überprüfen. Nach Angaben von Experten ist es schwer nachzuweisen, ob die Daten kopiert wurden.
Auf den Festplatten sind neben allen wesentlichen Daten zur Entschärfung der US-Atombomben angeblich auch Informationen über
Atomwaffen Frankreichs, Chinas und Russlands. Damit könnten Staaten wie Nordkorea ihre Waffenentwicklung beschleunigen. Experten
befürchten auch, dass Terroristen die Pläne benutzen könnten, um eine Entschärfung gestohlener Atombomben zu verhindern. Andere
Wissenschaftler wiesen aber daraufhin, dass niemand mit den Daten allein in die Lage versetzt werde, Atomwaffen herzustellen.
Hinter dem Kopierer gefunden
Äußerst ungewöhnlich sind die Umstände, unter denen die Festplatten auftauchten. Sie wurden hinter einem Kopierer gefunden - nur wenige
Meter von dem Bunker entfernt, aus dem sie irgendwann zwischen dem 7. April und dem 7. Mai verschwunden waren. Aus Kreisen der
Vermittler verlautete am Sonntag, die Festplatten hätten hinter dem Kopierer sogar ein Stück hervorgeragt, so dass sie leicht zu entdecken
waren. "Da stimmt irgendetwas nicht", erklärte ein Beamter. "Plötzlich tauchen die Dinger an einem Ort wieder auf, der zwei Mal durchsucht
wurde". Labor-Chef John Browne zeigte sich zuversichtlich. Die Chancen des Schuldigen, damit davon zu kommen, seien gering. (APA/dpa)