Wer beim Online-Buchhändler Amazon den Suchbegriff "Existenzgründung" eingibt, erhält exakt 555 Treffer. Doch die meisten dieser Bücher gleichen einander wie ein Sandkorn dem anderen. Sie beschreiben Existenzgründung als eine Kette rechtlicher, finanzieller und organisatorischer Tätigkeiten, an deren Ende die fertige Firma steht. Existenzgründung als mechanischer Vorgang im Checklistenformat.

Gründung als Verwaltungsakt

Checklisten sind das Allheilmittel gegen die Angst. Sie geben Sicherheit, sind die Rettungsleine, an die man sich klammern kann. Was es heißt, Unternehmer zu sein, welche Fallstricke das Unternehmerdasein bietet und was es an persönlichen Voraussetzungen und Einstellungen erfordert, darüber findet sich in den meisten Büchern aber nur wenig.

Das Ergebnis ist bekannt. Im Bundesdurchschnitt scheitert rund die Hälfte aller Unternehmensgründungen in den ersten drei Jahren. Bei professioneller Begleitung liegt die Erfolgsquote hingegen bei 90 Prozent. Offensichtlich liegt es also maßgeblich am Know-how, über das Gründer, die allein auf sich gestellt waren, nicht verfügten. Denn die Firmengründung ist nur ein Schritt. Maßgeblich ist, was davor und was danach kommt: Die Geschäftsidee und die Frage, ob es einen Markt für sie gibt, also Kunden, deren Probleme sie löst oder deren Zufriedenheit sie steigert.

Annahmen statt Sicherheit

Wer sich für die Selbständigkeit entscheidet, der bricht Brücken ab. Er tauscht Sicherheiten gegen Annahmen: vor allem die Sicherheit, die eine regelmäßige monatliche Überweisung auf dem Konto gibt, gegen die Annahme, dass seine Geschäftsidee sich als tragfähig erweisen wird.

Statt hinzunehmen, was auf ihn zukommt, entscheidet er sich, selbst zu gestalten. Statt passiv eine Arbeitsleistung zu erbringen, die ein anderer bei ihm abruft, entscheidet er selbstbewusst, etwas anzubieten, von dem er nur vage wissen kann, ob andere es nachfragen werden. Anstatt sich im Beziehungsgeflecht einer vorgegebenen Organisation zu bewegen, entscheidet er, selbst Beziehungen aufzubauen: zu Kunden, Geschäftspartnern und Mitarbeitern.

Perlen der Ratgeber

Abseits des Ratgebermainstreams finden sich auf dem Markt etliche Bücher, die Existenzgründern mehr bieten als nur Faktenwissen über das Gründungsprocedere. Aus mehr als 20 aktuellen Titeln aus den zurückliegenden Monaten haben wir einige Perlen ausgewählt.

Werben, überzeugen, verkaufen! Genau das vernachlässigen viele Gründer. Einer Studie zufolge denken mehr als zwei Drittel der Start-up-Unternehmer nicht an den Kunden, kritisieren die Buchautoren Cordula Nussbaum und Gerhard Grubbe: "Bei uns grassiert das deutsche Phänomen des 'Happy Engineering'. Das heißt, viele Unternehmen haben jahrelang an ihrem Angebot herumgebastelt, sich aber keinerlei Gedanken dazu gemacht, ob das überhaupt jemand braucht oder welchen Nutzen die Erfindung bringt."

Mangelndes Kundendenken ist einer der Hauptgründe für wirtschaftliche Erfolglosigkeit, aber nur eine der 100 häufigsten Fallen nach der Existenzgründung, welche die beiden Autoren in ihrem gleichnamigen Buch zusammengetragen haben. Denn das Scheitern hat "meist ganz banale Gründe" - von nicht bedachten Steuerzahlungen bis hin zu nicht wahrgenommener Konkurrenz reichen die in dem Buch anschaulich dargestellten Stolpersteine für Jungunternehmer.

Der erste Kunde ist man selbst

In der Fülle dessen, was man alles falsch machen kann, bilden ausbleibende Aufträge ein zentrales Problem. Genau darum geht es in dem Buch von Allan S. Boress, das den Stoßseufzer eines erfolglosen Gründers als Titel trägt: Jetzt brauche ich Aufträge! Der Autor ist überzeugt, "dass die Fähigkeit, jemanden davon zu überzeugen, dass er etwas kauft, die größte Fertigkeit der Welt ist". Und er zeigt Schritt für Schritt, wie man diese Fertigkeit erlernt.

Entscheidend dafür ist das Selbstbewusstsein, etwas anzubieten, aus dem der Kunde einen wirklichen Nutzen zieht. "Der Erste, dem Sie etwas verkaufen müssen, sind Sie selbst", schreibt Boress in seinem Buch, das sich vor allem an Dienstleister wendet, die überzeugen müssen, ohne ein fertiges Produkt vorweisen zu können.

Präsentation im Aufzug

Überzeugen ist auch das Thema eines kleinen Büchleins, das kein Gründungsratgeber im engeren Sinne ist, aber doch viel mit dem Thema zu tun hat. Es geht um eine Präsentationstechnik, die aus den USA stammt. Dort passten in den 1990er Jahren findige Start-up-Gründer potentielle Venture-Capital-Geber im Aufzug ab, um diesen in der kurzen Fahrtzeit bis zur Büroetage ihr Gründungsprojekt vorzustellen. Elevator Pitch heißt diese Methode. Joachim Skambraks führt in einem Büchlein der 30-Minuten-Reihe des GABAL Verlags in die Aufzugpräsentation ein und vermittelt dabei vor allem eines: die Fähigkeit zu absoluter Reduktion und gedanklicher Klarheit.

Das Ziel führt zum Weg

Wer von Selbständigkeit träumt, aber noch nicht die richtige Geschäftsidee gefunden hat, dem bietet Sylvia Englerts Ratgeber Welche Selbstständigkeit passt zu mir? zahlreiche Anregungen. Das einfühlsam geschriebene Buch der changeX-Redakteurin coacht Gründungswillige auf dem Weg in eine maßgeschneiderte Selbständigkeit. Und räumt mit dem Klischee auf, dass immer die Idee am Anfang stehen müsse. Auch das Ziel führt zum Weg.

Das illustriert auf unterhaltsame Weise auch Markus Frankls Gründerbiographie Wer nichts wird, wird Wirt. Frankl, der zunächst nicht wusste, was er werden sollte, sich dann als Tellerwäscher und Aushilfskoch durchschlug, tat das einzig Richtige: Er wurde Wirt. Und gründete eine Kneipe, die binnen kurzer Zeit zu einem der angesagtesten In-Lokale Münchens avancierte. Von Frankl stammt auch die Gründerweisheit mit dem höchsten Erfolgspotential: "Ich wollte einfach nur etwas Sinnvolles tun, etwas, das mir Spaß macht und mich ausfüllt."

Märchen als Ratgeber

Einen gänzlich anderen Weg gehen Thomas Fuchs, Reinhard Rossmann und Daniel Schandl in ihrem Businessroman Die sieben Todsünden der Existenzgründung: Sie erzählen eine Geschichte im Stil eines orientalischen Märchens. Sie handelt von Bara, dem Sohn eines reichen Geschäftsmannes, der von diesem vor die Tür gesetzt wird, damit er sich im Leben bewähre. Bara will schnell reich werden und macht falsch, was man falsch machen kann, und nur der gute Rat wohlmeinender Partner bewahrt ihn vor dem totalen Ruin. Baras höchst lehrreiche Geschichte relativiert die Rolle des schriftlich niedergelegten Wissens. Schließlich hat Bara eine Pergamentrolle mit Ratschlägen seines Vaters ständig bei sich, nur erschließt sich ihm deren Bedeutung erst dann, als er schon in die Falle getappt ist.

Fazit: Faktenwissen ist nicht alles. Wohldosiert bleibt es in dem kleinen, bei Books on Demand erschienenen Büchlein ebenfalls nicht ausgeblendet. Es findet sich in komprimierten Zwischenkapiteln, die zugleich den Zugang zu weiterführenden Informationen erschließen, ohne den Leser zu erschlagen. Gemessen an Anschaulichkeit, Prägnanz und Klarheit sind Baras Abenteuer derzeit das beste Existenzgründungsbuch auf dem Markt.

Auch in einem dritten Aspekt ist das Buch eine Parabel: Ganz freiwillig wird der Kaufmannssohn Bara nicht zum Gründer. Der junge, an den Luxus gewöhnte Lebemann muss erst vor die Türe gesetzt werden, damit er sein Schicksal annimmt und den Wunsch des Vaters, er möge ein erfolgreicher Geschäftsmann werden, zu seiner eigenen Mission macht. Ohne den Zwang der wirtschaftlichen Verhältnisse, so kann man folgern, tut sich nichts. Differenz ist der Motor der Wirtschaft. So gesehen sind die Chancen für eine neue Kultur der Selbständigkeit gar nicht so schlecht. (© changeX)