Mag.a Sabine Fabach, Gründerin des Instituts Frauensache, ist Personzentrierte Psychotherapeutin, Psychologin und Supervisorin.
Foto: Sabine Fabach

Das Institut Frauensache ist eine psychotherapeutische Praxisgemeinschaft und besteht seit 1997. Drei Therapeutinnen - unter ihnen Mag.a Sabine Fabach - arbeiten nach dem Personen zentrierten Ansatz von Carl Rogers. Neben dem Reden steht das Erleben im Vordergrund, ebenso werden aber auch kreative Medien eingesetzt, Arbeit mit Bausteinen, schreiben und malen.

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dieStandard.at: Konkrete Zahlen über Burnout existieren ja nicht. Gibt es Hinweise, dass Frauen aufgrund ihrer weiblichen Sozialisation und der häufigen Doppel- und Dreifachbelastung besonders gefährdet sind, ins Burnout zu geraten?
Sabine Fabach: Die Entwicklung geht in diese Richtung, da der Druck auf Frauen, auch beruflich erfolgreich zu sein, immer mehr steigt, aber der Ausgleich durch Halbe/Halbe bei der Versorgung der Kinder und des Haushalts hier noch sehr hinterher hinkt. Auf der anderen Seite steigt die tägliche Arbeitsbelastung durch Sparmaßnahmen auch im sozialen und pflegenden Bereich, in denen viele Frauen beschäftigt sind. Mehr Arbeit muss von weniger Personen geleistet werden. Und da es für viele Frauen aufgrund ihrer weiblichen Sozialisation ganz schwer ist, die Qualtität ihrer Arbeit der verfügbaren Zeit anzupassen, brennen sie durch konstante Überforderung leichter aus. Gute und qualitativ hochwertige Arbeit zu leisten ist für Frauen ein sehr hoher Wert, sie sind keine Schaumschläger und Blenderinnen, sondern wollen inhaltlich gute Arbeit abgeben. Nur das kostet Zeit, die in vielen Organisationen und Betrieben nicht mehr zur Verfügung steht. Eine weitere Gefährdung sehe ich in der weiblichen Hilfsbereitschaft und Verlässlichkeit, die zu wenig auf die eigenen Grenzen und die eigene Gesundheit schauen lässt. Damit übernehmen sie Aufgaben, die eigentlich gar nicht in ihre Ressource gehören oder versuchen Fehler anderer durch eigenen Einsatz auszugleichen. Die mangelnde Anerkennung generell und fürs Nettsein im Besonderen ist dann immer wieder enttäuschend und beschleunigt ein Hineinschlittern in ein Burnout.

dieStandard.at: Welche Erfahrungen machen Sie in Ihrer therapeutischen Praxis? Über welche Zustände klagen die Frauen?
Sabine Fabach: Frauen, die mit einem fortgeschrittenen Burnout-Syndrom in meine Praxis kommen, berichten von einer tiefsitzenden Müdigkeit und Antriebslosigkeit, von Depressionen oder Angstattacken. Ein Gefühl von Sinnlosigkeit des eigenen Tuns und von persönlichem Versagen prägt ihre emotinale Stimmung. Fast immer werden diese von inzwischen chronisch gewordenen körperlichen Erkrankungen begleitet. Der Wunsch nach Veränderung ist sehr stark, aber das Gefühl, keine Möglichkeit zur Veränderung zu haben, gefangen in den Umständen zu sein, ist es ebenfalls. Typisch für ein Burnout ist eben das Gefühl, dass ich eh nichts ändern kann. Daher ist professionlle Unterstützung so notwenig, da ab einer gewissen Schwere des Burnouts ein Weg heraus alleine nicht mehr möglich ist.

 

dieStandard.at: Welche Symptome werden am häufigsten genannt?
Sabine Fabach: Die typischen Symtome sind Müdigkeit bereits beim Aufstehen, eine tiefe Erschöpfung und Mutlosigkeit. Je nach Stadium des Burnouts auch eine zynische aggressive Stimmung gegenüber anderen, das Gefühl, alle arbeiten gegen mich. Rückzug aus den sozialen Kontakten und aus persönlichen Beziehungen. Alkohol- und Tablettenmissbrauch. Depressionen und innere Leere, der Kontakt zu sich selbst ist abgerissen, "ich funktioniere wie ein Roboter", körperliche Symtome wie Magen-Darmbeschwerden, Gelenksprobleme, Hauterkrankungen, Nervenentzündungen und Herz-Kreislaufprobleme sind immer mit dabei.

dieStandard.at: Gibt es eine Altersgruppe, in der Burnout-Symptome besonders häufig anzutreffen sind?
Sabine Fabach: Die häufigste Altersgruppe ist die der 30-40-Jährigen. Diese Frauen leben schon seit einigen Jahren im beruflichen und privaten Dauerstress. Sich zu wenig Zeit für Entspannung und Erholung zu nehmen, ist inzwischen zum Normalzustand geworden. Der Körper beginnt sich dann zunehmend gegen diese konstante Überbeanspruchung und Ignoranz den eigenen Bedürfnissen gegenüber zu wehren und bildet Symptome als Warnhinweise.

dieStandard.at: Welche Gruppe ist am stärksten betroffen? Sind es Frauen in verantwortungsvollen Positionen, Frauen mit Beruf und Familie, Alleinerziehende?
Sabine Fabach: Früher gab es spezielle Berufsgruppen, die Burnout gefährdet waren. Heute ziehen sich die belastenden Faktoren durch fast alle Berufsgruppen. Hohe Arbeitsanforderung, großer Leistungsdruck, geringer persönlicher Handlungsspielraum, ständige Einsparungen und damit Angst vor Jobverlust und ein mehr an Leistung finden sich bereits in ganz vielen Bereichen. Alleinerziehende sind besonders gefährdet, da der existenielle Druck und die alleinige Verantwortung für das Wohl ihres Kindes weitere belastende Faktoren darstellen. Die Zeiträume, in denen die eigenen Bedürfnisse wichtig sind, sind hier besonders eng bemessen.

dieStandard.at: Worin sehen Sie die Ursachen bei Burnout? Gibt es ein Hauptproblem?
Sabine Fabach: Bei einem Burnout gibt es kein Hauptproblem, sondern es ist immer die Folge vieler verschiedener Faktoren, die zusammen wirken. Da gibt es die Ebene der betrieblichen Faktoren, mit hohem Arbeitsdruck, geringem Handlungsspielraum und wenig Anerkennung, unklaren Erfolgskriterien und demotivierender MitarbeiterInnenführung. Das Erleben von Männer-Netzwerken und die täglichen Sexismen und Abwertungen als Frau sind ebenfalls mächtige Faktoren. Dann gibt es die Ebene der weiblichen Lebenszusammenhänge, darin finden sich Zwei-und Mehrfachbelastungen. Frauen gehen sehr selten nach einem 12-Stunden-Arbeitstag nach Hause und bekommen noch ein Essen serviert und können den restlichen Abend zur persönlichen Erholung nutzen. Die Pflege von Eltern und Verwandten lastet meist auch auf den Schultern der Frauen. Und dann gibt es noch die persönliche Ebene, die für diesen täglichen Anforderungskatalog nicht die passenden Strategien zur Verfügung stellt. Dazu gehören Perfektionismus, Unsicherheit und wenig Lust an Selbstpräsentation, zu wenig strategisches Denken und Netzwerkarbeit, eine hohe Erwartung an Fairness und Gerechtigkeit und eine hohe soziale Verantwortung, um nur einige der Faktoren zu nennen. Das sind an sich sehr wertvolle Eigenschaften und Lebensstrategien, bringen die Frauen aber in unlösbare Lebenssituationen, da die Außenwelt nach anderen Regel spielt.

dieStandard.at: Sehen Sie als Psychologin und Therapeutin einen Zusammenhang mit Erfahrungen in der Kindheit, die später zu diesem Problem führen?
Sabine Fabach: Auf der persönlichen Ebene gibt es natürlich einen Zusammenhang. Wer zuhause gelernt hat, dass nur perfekte Arbeit etwas wert ist, wird sich sehr schwer tun, die eigene Qualität der Arbeit der vorhandenen Zeit anzupassen. Auch die erzogene Bescheidenheit und Fürsorglichkeit für andere schadet den Frauen, da Anerkennung in den seltensten Fällen von alleine kommt, sondern das Tür und Tor öffnet für Ausbeutung und Ideenklau.

dieStandard.at: Und allgemein betrachtet: Inwieweit spielen tradierte Rollenbilder mit, dass Frauen sich überfordern?
Sabine Fabach: Die Rollenbilder sind ein Faktor, weil sie bestimmte Handlungsstrategien vorgeben. Wenn zwei (ein Mann und eine Frau) dasselbe tun, ist es immer noch nicht das Gleiche. Es gibt hier nicht nur die eigenen inneren Rollenbilder, die Frauen einschränken, sondern auch die anderen haben eine Brille mit Rollenerwartungen auf, mit der sie Frauen bewerten. Eine selbstbewusste und dominante Frau wird immer wieder als hantig und unweiblich abgewertet, die sich immer wichtig machen muss, während das gleiche Verhalten bei einem Mann völlig angebracht und positiv gesehen wird. Daher haben Frauen immer wieder das Gefühl, sich keine Schwächen leisten zu können und strengen sich noch mehr an. Auch der Umgang mit Konkurrenz unter Frauen ist um einiges schärfer und persönlicher, da Männer schon sehr früh bei Wettkämpfen unter Buben einen spielerischeren Umgang mit Konkurrenz erlernen konnten.

dieStandard.at: Was können Frauen tun, wenn sie bemerken, dass sie sich im Burnout befinden bzw. gefährdet sind?
Sabine Fabach: Der wichtigste erste Punkt ist das Ernstnehmen der eigenen Gefühle und körperlichen Signale. Das bedeutet, damit aufzuhören, dass es eh noch geht und dass alles noch nicht so schlimm ist oder dass es irgendwann sicher besser werden wird. Analysieren Sie ihre Lebenssituation und suchen Sie die verschiedenen Faktoren, die Sie ausbrennen lassen. Je nach Schwere des Burnouts nutzen Sie die Hilfe eines Coach oder TherapeutIn. Nicht Sie sind die Versagerin, sondern eine Fülle an Faktoren haben dazu beigetragen, dass Sie ausgebrannt sind. Burnout verschwindet nicht nach einem längeren Urlaub, Burnout braucht kurz- und langfristige Veränderungen mit dem Ziel, dass Sie wieder die Chefin für ihr Leben werden und nicht mehr durch all die Anforderungen und Erwartungen durchs Leben getrieben werden.

dieStandard.at: Welche präventiven Maßnahmen würden Sie allgemein empfehlen, um erst gar nicht in den Zustand des Ausgebranntseins zu kommen?
Sabine Fabach: Wichtig ist eine ausgeglichene Balance zwischen Stress/Anspannung und Erholung/Entspannung. Es geht nicht darum, keinen Stress mehr zu haben, sondern dass genügend Zeit für Erholung bleibt. Das setzt voraus, dass sie auf die Signale ihres Körpers und ihrer Psyche hören und diese nicht unter Arbeit begraben. Wenn sie sich selbst genauso wichtig nehmen wie das nächste Projekt oder die Erwartungen der Vorgesetzten, dann leisten sie gute Burnout-Prävention. Achten Sie darauf, dass ihr Leben jetzt stattfindet und nicht auf später verschoben wird und dass der Wert ihrer Person nicht allein an der Leistung gemessen wird. Erweitern Sie ihr Repertoire an Strategien im Umgang mit den täglichen Anforderungen und erlauben Sie sich, nicht immer die Nette zu sein. Und solange Sie noch über sich selbst lachen können ohne zynisch zu sein, sind Sie auf der sicheren Seite.

Das Gespräch führte Dagmar Buchta.