Foto: Thomas Rottenberg

Dreimal pro Woche eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten-Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war während der großen Hitze. Da lag der Erdklumpen eines Morgens neben dem Schanigarten. Gestürzt – und zwar nach allen Regeln der Kunst, wie ein Kuchen oder ein Pudding: kaum ein Krümel war verloren- oder daneben gegangen.

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Der Schanigarten gehört zur Pizzeria. Und ist der Versuch, den Draußensitzern das Vergessen der gleich nebenan vorbeiführenden Hauptverkehrsstraße zu erleichtern. Allem Anschein nach funktioniert die Übung: der Gastgarten – wiewohl mit einem grünen Fließteppich und ein paar Töpfen eher ein Zitat – ist meistens gut besucht. (Und im Sommer bekommen deshalb nur Pizzakartonabholer wie ich mit, dass das Lokal drinnen in seinen Zitaten noch weiter geht, als die meisten Fischernetz-Pizzerien: da steht ein Ruderboot. Aber das gehört eigentlich nicht hierher.)

Vandalen und Plünderer

Und wie bei allen Hauptstraßenschanigartenlokalen, kämpft man auch hier einen ständigen Kampf gegen nächtliche Schanigartenvandalen und –plünderer: Tische und Sessel werden mit Ketten gesichert – aber hin und wieder vergeht sich dann halt jemand an den Stauden. Umschmeißen, wegschleppen, Tontöpfe zerschlagen – die üblichen Sinnlosigkeiten eben.

Aber die Stürz-Nummer von neulich war neu – und gab mir Rätsel auf. Weil das Aus-dem-Topf-Stürzen einer Pflanze Arbeit bedeutet – und das ist mehr, als der primitive Kraftaufwand, der beim Zerdeppern, Abknicken oder Wegschleifen nötig ist.

Topfbedarf

Außerdem legt der Akt Überlegung und Not nahe: Wer sich derart an einem Pflanzenkübel vergeht, den Erdhaufen nicht devastiert und das Topf-Ding nicht irgendwo in die Gegend pfeffert (normalerweise liegen Trümmer und/oder Scherben dann ja in der Nähe), hat wohl einen Blumentopf gesucht. Weil er ihn brauchte. Ziemlich dringend: Zwischen ein Uhr (das Lokal wird zugesperrt) und sieben Uhr früh (ich gehe dran vorbei) nämlich.

Und das ist dann der fast nette, weil imaginäre, Teil der Geschichte: Die Vorstellung, dass es in dieser Stadt Menschen gibt, die um drei Uhr Früh nach Hause kommen, rasch noch nach den Stauden auf der Terrasse sehen und feststellen, dass die Glyzinie schon wieder so gewachsen ist, dass Umtopfen nötig ist. Und weil sie ihre Pflanzen wirklich lieben, erkennen sie, dass das auf keinen Fall mehr bis zum nächsten Tag warten kann. Das ist fast so, wie Brot stehlen weil die Kinder hungern: So jemandem kann ich nicht wirklich böse sein. Aber mein Pizzabäcker sieht das vermutlich anders.