Pseudo-Punk-Event Fuck all that shit!
Foto: der Standard
Wien - Ein "Who is Who" der subversiven Art zauberte die Wiener Perfomancekünstlerin Barbara Kraus mit ihrem Pseudo-Punk-Event Fuck all that shit! bei ImPulsTanz im Kasino am Schwarzenbergplatz: mit mehr als 70 DarstellerInnen aus der heimischen Kunst- und Kulturszene.

Wer war wer? Leidenschaftlicher Auftritt von Peter Stamer als Christoph Schlingensief im Gefolge von Robert Steijn als Tony Clifton, dem legendären fiktiven Charakter des US-Comedian Andy Kaufman. Schlingensief wurde von Roman Berka alias Claus Philipp interviewt, ein Fake, der nicht lange weilen konnte, weil Yoga-As Sri Louise als Courtney Love und Chanteuse Sü-Vaal als Nina Hagen auf ihre Auftritte drängten.

Off-Tanz- und Theater-Kurator i.R. Uwe Mattheiß übte sich in der Rolle von ImPuls-Chef Karl Regensburger. Und der nicht gerade als Spaßvogel bekannte Choreograf Philipp Gehmacher sang als Fan von Schlingensiefs Church of Fearund trug seine Managerin Angela Glechner, die die Schauspielerin Sophie Rois mimte, auf sensiblen Schultern.

Fuck all that shit! wucherte als buntes und lautstarkes Kabarett der Identitäten und Referenzen, das sich - unterm Strich recht harmlos - als wilde, aber auch warmherzige Institutionskritik am Kultur- und Medienbetrieb vorstellte. Einige BesucherInnen bekamen eine Einladung, sich mit "Auszuckern" einzubringen - aber, so die Einschränkung, bitte nicht auf der Bühne.

Stressfreies Gerangel

KünstlerInnen und Publikum durften eben nur ein bisschen schlimm sein und konnten daher, ohne Stress etwa von der Theaterpolizei zu bekommen, einen kleinen, humorigen Sommerfasching feiern.

Weniger komisch ging es bei dem konfliktgeladenen Stück frère&soeur der französischen Choreografin Mathilde Monnier im Volkstheater her. Die Künstlerin hatte bei ImPulsTanz 2004 mit ihren Arbeiten déroutes, publique und pièces überzeugt.

Diesen Sommer stellt Monnier zwei Werke vor: 2008 vallée -pièce pour 7 chanteurs danseurs am 5. August im Akademietheater, und, gerade gelaufen, frère&soeur. Am Beginn dieses letzteren Stücks konfrontieren die Tänzer ihr Publikum mit der unmöglich zu lösenden Aufgabe, Kampfszenen auf der Bühne glaubwürdig darzustellen. Mit dem Ergebnis, dass die 14 AkteurInnen mehr oder minder manieriert miteinander rangeln, sozusagen als physisch-psychologische Gliederübung - etwas zu entspannend für unsere durch Martial-Arts-Choreografien im Film verblendeten Augen.

Mehr Biss bekommt frère&soeur in seiner zweiten Hälfte, wenn sich Identitäten multiplizieren und in Gruppen und Soli mit- und gegeneinander agieren. Doch auch hier wird die Choreografie ihre seltsame Unbestimmtheit nicht wirklich los. Stark gemeinte Details bleiben blass, und die ambitionierten TänzerInnen verlieren sich aneinander.

Kein Vergleich jedenfalls mit dem fabelhaft poetischen Wunderwerk déroutes, das im Ansatz mit frère&soeur verwandt ist. Auch eine Mathilde Monnier kann eben nicht nur Meisterwerke auf die Beine stellen. (Helmut Ploebst/DER STANDARD, Printausgabe 29./30.07.2006)