Seit fast fünf Monaten haben 14 Staaten der EU über Österreich - den 15. Staat - einen bilateralen Bann verhängt. Bilateral heißt nicht, die EU selber, sondern ihre Mitgliedstaaten haben die Kontakte zu Österreich abgebrochen.

Was das Ziel dieser Maßnahme ist? Niemand weiß es. Selten ist eine so wichtige Entscheidung mit womöglich sehr weitreichenden Folgen derart planlos und ohne jedes Konzept - also gewissermaßen aus dem Handgelenk - beschlossen worden.

Es gab keinerlei juristische Legitimierung dafür, nur ein Verdacht liegt der ganzen Aufregung zugrunde. Was da geschieht, ist einfach absurd.

Gewiss, dass die Partei von Jörg Haider, der so viele, äußerst anstößige, nazihafte Erklärungen und irrwitzige Aussprüche von sich gegeben hat, jetzt mit in der Regierung sitzt, ist für viele Europäer und auch für viele Österreicher sehr ärgerlich.

Aber gibt dies dem Nachbarland das Recht, den Bürgern Österreichs vorzuschreiben, wen sie wählen dürfen? Gibt es ihnen das Recht zu erklären, dass eine Partei, die nach demokratischem Recht ins Parlament eingezogen ist, nicht der Regierung angehören darf? Am härtesten in ihren anti-österreichischen Reaktionen sind die Franzosen und Belgier. Deutschland, das wahrscheinlich gegen Sanktionen gestimmt hätte, wurde offenbar durch amerikanischen Druck veranlasst, sich den anderen 13 Staaten anzuschließen.

In einem Interview des Hamburger Abendblatts wurde Bundeskanzler Schüssel unlängst gefragt, ob er mit Haiders Partei auch dann koaliert haben würde, wenn er die Reaktionen gekannt hätte. Antwort: Ein klares "Ja". Begründung: "Wir hatten gar keine andere Wahl; die sozialdemokratische SPÖ hatte die Verhandlungen abgebrochen und so gab es nur die FPÖ." Schüssel setzte hinzu: "Die einzige Alternative wären Neuwahlen gewesen, aber in der damals so aufgeheizten Atmosphäre hätte es leicht passieren können, dass Haiders Partei die stimmenstärkste geworden wäre." Das kann allerdings auch jetzt noch geschehen, am Anfang waren 50 Prozent der Österreicher für Sanktionen, heute sind 90 Prozent dagegen.

Ja, und was nun? Da ist guter Rat teuer. Die Verhängung der Sanktionen war nicht nur unberechtigt, sie war auch politisch töricht. Der Zorn der Österreicher wächst und im Protest wahrscheinlich auch die rechtspopulistische FPÖ.

Allenthalben wird konsequent boykottiert: Reisen nach Österreich werden abgesagt, Konferenzen auch, selbst Botschafter werden diskriminiert, und Schulklassen ausgeladen. Die EU-Mitgliedstaaten ihrerseits wissen keinen Rat, wie sie aus der Blamage wieder herauskommen können; auch sind sie besorgt, dass die vorgesehene Reformierung der EU-Struktur jetzt womöglich Schiffbruch erleiden wird.

Es ist wirklich spannend zu erleben, mit welchen Verrenkungen die Beteiligten versuchen, aus der selbstfabrizierten Krise wieder herauszufinden. Man kann nur hoffen, dass es gelingt, die Sanktionen vor der Gipfelkonferenz in Portugal aufzuheben, damit Europa keinen Schaden nimmt.

Marion Gräfin Dönhoff, geboren 1909 in Ostpreußen, vielfach ausgezeichnete Buchautorin, Doyenne des deutschen Journalismus, lebt in Hamburg.