Am Himmel da leuchten die Sterne... David Gilmour von Pink Floyd begibt sich auf Burg Clam nach zwölfjähriger Livepause wieder einmal auf akustische Raumfahrt.

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Burg Clam – Wahrscheinlich muss man sich David Gilmour als rundum zufriedenen Menschen vorstellen. Immerhin könnte er sich mit den Früchten seiner Arbeit locker zwei Dutzend von der Art jener Burg leisten, die da seitlich der Bühne etwas muffig in den linden Abendhimmel ragt und die geschichtliche Bedeutung dieses Abends etwas gar grimmig untermauert.

Weil die Eintrittspreise für dieses exklusive Österreichgastspiel des eigentlich im Vorruhestand befindlichen britischen Gitarristen Richtung eines früher in dieser Gegend nahe der Schlögener Donauschlinge historisch verbürgten Raubrittertums gehen, muss man die auf der Burg Clam weit gehend fehlenden jungen Menschen jetzt kurz an das Ende von "Live 8" aus dem Vorjahr erinnern:

Der 60-jährige David Gilmour war einmal Mitglied der heute wegen Rechtsstreitigkeiten und Altersresignation ausgestorbenen Rock-Dinosaurier Pink Floyd, die sich 2005 kurzfristig und einmalig wegen des Weltfriedens wieder wacker zusammentaten, aber nicht versöhnten.

Früher als Team aber kannten Pink Floyd nichts. Von wegen Frieden. Sie trampelten vor allem in ihrer großen Zeit, ab Mitte der 70er-Jahre bis herauf zum letzten hiesigen Aufbäumen, 1994 vor sagenhaften 100.000 Menschen auf dem Flugfeld in Wiener Neustadt, mit monströsen Live-Shows alles nieder, was nicht schnell genug in den "seichten" Pop oder in jenen "Underground" flüchten konnte, aus dem sie mit dem noch heute sensationellen Debüt "The Piper At The Gates Of Dawn" 1967 selbst einst kamen. David Gilmour und Co nahmen damals in ihrer Hochzeit mit heute bleiern schwer und bildungsbürgerlich bieder im Kanon der populären Musik ruhenden Alben wie "The Dark Side Of The Moon", "Wish You Were Here" oder "The Wall" selbst jenen Leuten die Luft zu atmen, die sich Pop und Rock als Soundtrack der niederen Instinkte seit jeher über die Hilfsbrücke der musikalischen Virtuosität und des künstlerischen Gehalts schönreden müssen.

Pathos und Matura

Dabei war doch auch ein auf der Burg Clam von Gilmour unter anderem mit Pink-Floyd-Keyboarder Rick Wright und Roxy-Music-Gitarrist Phil Manzanera gespielter Klassiker wie das dem jetzt verstorbenen Pink Floyd-Mitbegründer Syd Barrett gewidmete "Shine On You Crazy Diamond", überspitzt gesagt und mit historischer Distanz gehört, eigentlich nur ewig sich ziehender, pathetischer Musiklehrer-Blues zur Beschallung von TV-Dokumentationen über die Geschichte der Raumfahrt.

Gilmour aber wirkt als altes Feindbild eines vom Volk der Ramones und dem Stamm der Sex Pistols abstammenden Nörglers über Lieder jenseits der Dreiminutengrenze in der ersten, parallel zum Sonnenuntergang gegenüber der Bühne bestrittenen Konzerthälfte bedauerlicherweise eigentlich grundsympathisch. Immerhin quält der alte Sternenfahrer und Naturmystiker freundlich bis inniglich, auf jeden Fall sehr bescheiden und nicht ganz chronologisch erst den "Red Sky At Night" und dann im zweiten Teil die "Fat Old Sun" mit Richtung Raumkrümmung gezogenen Klagetönen.

Er verweigert neben dem aus "Dark Side Of The Moon" gespeisten Opener "Breathe/Time/Breathe" auch erst einmal das Material seiner alten Band. Die Leute müssen zuerst sein aktuelles, eher zähes Soloalbum "On An Island" ertragen. Vollständig und mit sehr viel langer Weile. Von diesem Teil des Auftritts kann man Folgendes berichten: Möglicherweise werden wir uns alle in ein paar Jahren nicht mehr daran erinnern. Zu belanglos wird hier mit Flokati-Sounds aus den Keyboards und kleinen Akupunktur-Stichen der Gitarre der Blues als altersmilder Wohlklang gedeutet. Neben dem schönen Leben in der schönen Natur wird etwa auch das Glück in festen Händen ausführlichst gelobt... Verstörte Gesichter auch, als Gilmour bei "Red Sky At Night" das Saxofon auspackte, für das er voriges Jahr gemeinsam mit einem seiner Söhne den Führerschein machte.

Nach der Pause wurde schließlich Syd Barrett nicht nur als "Crazy Diamond" gewürdigt. Gilmour reanimierte auch den aus den wilden psychedelischen Anfängen stammenden Trip "Astronomy Domine" und überraschte mit einer Soloeinlage: Syd Barretts "Dark Globe". Im großen, mit eineinhalb Stunden standesgemäß bemessenen Finale dann der Stoff, dessentwegen Punk erfunden wurde: "Echoes", "Wish You Were Here", "Comfortably Numb". Die Dinosaurier röhrten. Am Himmel keine Spur von einem rettenden Meteor auf Kollisionskurs. (Christian Schachinger/DER STANDARD, Printausgabe, 29./30.7.2006)