Salzburg - War es das kreislaufkillende Dschungelklima im "republic"- oder doch die erstickende Studententheatermachart des Zürcher Jungregisseurs Roger Vontobel, die das Publikum beim Opener der diesjährigen "Young Directors Project"-Reihe relativ schnell abbröckeln ließ?

Der Auftakt zum fünften Durchgang des internationalen Festspiel-Wettbewerbs um das viel versprechendste Theaterhändchen versetzte die Zuschauer vor einen dampfenden Gulaschtopf klamottiger Spielereiferung. Opfer dieser schon sehr in die Jahre gekommenen Revue-Verwurstungstechnik gesammelter Dichterwerke samt biografischer Suppeneinlagen war Christian Dietrich Grabbes geniale Zeitgeist- und Selbstzerfleischungsposse Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung.

Aufholbereitschaft

Was sich jetzt in Salzburg und später am Deutschen Schauspielhaus Hamburg über ein wissensbegieriges, in Sachen Grabbe-Kompetenz aufholbereites Publikum ergießt, hat wenig mit solider Werkerschließung zu tun. Eigentlich war man gekommen, um das Zentralopus des meistverkannten und lange beschimpften deutschen Literaturaußenseiters und wohl unbekanntesten Klassikers kennen zu lernen.

Aber statt der längst nötigen Schärfung eines vor-surrealistischen Meisterwerks, dessen bestützende Wirkung auch von der absurden Moderne nicht übertroffen wurde, erlebte man die flockig-verspiele Vermanschung diverser Zitatportiönchen mit Disco-Erschütterung und allem, was an Crossover-Effekten, Brüllenthemmung, Hosenherunterzieherei, Video-Injektionen und lässiger Bühnenvermüllung längst überdrüssig stimmt. Das gelegentliche Aufkommen packender poetischer und schrill-abgründiger Momente, für die einzig Jana Schulz als kecke, wandlungsfähige Teufelin garantierte, rettete die Zweieinhalbstunden-Rhapsodie auf der Basis nihilistischen Frühdenkens nicht vor gähnender Langeweile.

Crescendi des Irrsinns

Das sprachlich mäßige Rest-Quintett an Jung-Grabbenisten spielte die Crescendi des Irrsinns und des Ekels vor allem Menschlichen mit höchstmöglicher Plattheit. Monique Schwitter, Glenn Goltz, Klaus Rodewald, Daniel Wahl und Martin Wolf versuchen immerhin, die Grabesdüsternis in den Texten des zynisch-pessimistischen Alkoholexzessdichters aus beklemmenden Kleinstadtverhältnissen durchschimmern zu lassen. Gegen den diktierten Regieklamauk haben derlei Anläufe zu vielschichtigen Tönen jedoch keine Chance.

Es bleibt beim verschlampt schockigen Komödienstadel. Die von Grabbe 1822 entworfene Lustspielhölle des Sinnlosen versinkt in schwammiger Harmlosigkeit, die großspurig als "Grabbe-Experiment"angekündigt wird. Schade, dass die Rückseite des Festspieltheater-Mottos "Glücksmagazin"so blind und unbehandelt geblieben ist. Am Ende waren alle erschlafft, aber es reichte für die allergeläufigsten Geräusche einer tief sitzenden Enttäuschung. (Anton Gugg/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 7. 2006)