München/Frankfurt/Berlin/Paris/Rom/Moskau - Die Krise im Nahen Osten, die schweren Zerstörungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Libanon, sowie die intensiven Versuche der internationalen Diplomatie, die Konfliktparteien zu trennen, stehen am Montag im Vordergrund internationaler Pressekommentare:

Süddeutsche Zeitung

"Gegen islamistischen Fanatismus hilft israelische Selbstfanatisierung nicht. Und das Recht auf Selbstverteidigung kann nicht dazu führen, internationale Regeln wie den Schutz der Zivilbevölkerung außer Kraft zu setzen. Solche Mahnung gehört zu der Solidarität mit Israel (...) Solidarität verlangt nicht ein 'Ja und Amen' zu Israels Politik in toto und schon gar kein 'Bravo', wie es sich der israelische Botschafter in Deutschland erwartet. Einen solchen Solidaritätszuschlag kann es nicht geben. Solidarität mit Israel misst sich nicht an der Lautstärke von Kritik oder Beifall, sondern am deutschen und europäischen Beitrag zur Befriedung in Nahost."

Frankfurter Rundschau

"Drei Veränderungen zeichnen sich jetzt schon ab. Erstens: die wachsende Emotionalisierung der arabischen Öffentlichkeit angesichts der Zerstörung des Libanon. Damit einher geht ein weiterer Legitimations- und Bedeutungsverlust der arabischen Regime, die sich den Spielregeln Washingtons unterworfen haben. Zweitens: Auch gemäßigte, säkular orientierte und pro-westliche Araber solidarisieren sich zunehmend mit Hisbollah und Hamas. Das gilt insbesondere für die Christen im Libanon, die mit den Schiiten wenig, mit der Hisbollah gar nichts gemein haben. Doch nach den Bombardements der christlichen Wohnviertel Ost-Beiruts entstehen neue politische Allianzen und Zweckbündnisse. Die Hisbollah wird zum Bannerträger der libanesischen und arabischen Ehre angesichts der eigenen Ohmacht. Drittens: Die Angriffe führen zu einem 'Gewöhnungseffekt' auf arabischer Seite. Der Respekt vor der Militärmacht Israel relativiert sich - auch deswegen, weil Libanesen und Palästinenser immer weniger zu verlieren haben. Als Reaktion entstehen neue Strategien der Konfrontation, der asymmetrischen Kriegsführung gegen die in jeder Hinsicht überlegene israelische Armee. (...) In den vergangenen Jahrzehnten hat Israel Puffer- und Besatzungszonen geschaffen, hat rote, blaue, grüne Linien gezogen (...), alles ohne Erfolg. Und zwar aus einem einfachen Grund: Israel zu schützen und gleichzeitig die Araber einem Schicksal auszuliefern, das aus Erniedrigung, Besatzung und Deklassierung besteht, schafft Widerstand."

taz, Berlin

"Wäre der Umfang ihrer Reise- und Konferenzaktivitäten ein Indikator für die Ernsthaftigkeit der lautstark behaupteten Bemühungen westlicher Politiker und Diplomaten um ein baldiges Ende des Krieges - der Waffenstillstand müsste spätestens morgen früh beginnen. Doch die Aktivitäten sind größtenteils zynische Fassade. Aus einer Mehrheit der westlichen Hauptstädte - darunter vor allem aus Washington und aus Berlin - erhält die israelische Regierung weiterhin deutliche politische Signale der Unterstützung. Das geht bis zu Waffenlieferungen für die Fortsetzung des Krieges noch bis mindestens Anfang nächster Woche. US-Präsident George W. Bush machte eine 'Lösung der Krise' und einen Waffenstillstand abhängig von dem vorherigen Erfolg eines 'scharfen Vorgehens' gegen die Hisbollah sowie gegen deren Verbündete in Syrien und im Iran. (...) Am Mittwoch macht der Zirkus der 'Friedensdiplomatie' dann einen Tag in Rom Station."

Handelsblatt, Düsseldorf

"Die USA haben die schwache Koalitionsregierung in Beirut zu wenig unterstützt. Die überforderte libanesische Armee war niemals in der Lage, die Hisbollah-Milizen, die nach dem Abzug Israels 2000 in den Südlibanon einrückten, zu verdrängen oder zumindest zu entwaffnen. Die libanesische Regierung für die aktuellen Entwicklungen verantwortlich zu machen ist deshalb wohlfeil. Nie hatte diese auch nur den Hauch einer Chance. Ihre einzige Überlebensstrategie war, über den ökonomischen Erfolg den radikalen Kräften den Wind aus den Segeln zu nehmen - bis vor eineinhalb Wochen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die USA Israel drängen, bei der Bombardierung die wirtschaftlichen Schäden so gering wie möglich zu halten. Denn sollte sich die Zerstörung des Libanon wie im Bürgerkrieg bis 1990 wiederholen, könnte das Land erneut zum Spielball der damaligen Akteure werden. Für Israel wäre dies ein Horrorszenario."

"Hamburger Abendblatt":

"Sollte es tatsächlich zu einem Mandat für eine internationale Truppe im Libanon kommen, wird sich Deutschland bei den intensiven Verflechtungen der Bundeswehr in NATO- oder EU-Strukturen kaum heraushalten können. Und es könnte gerade ein Zeichen dafür sein, dass sich Deutschland damit auch der besonderen historischen Verantwortung gegenüber Israel stellt. Grundvoraussetzungen sind ein Waffenstillstand und die Zustimmung aller Beteiligten. Doch so eine Schutztruppe muss auch das Recht haben und in die Lage versetzt werden, ihren Auftrag, für Ruhe zu sorgen, auszufüllen."

Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Es kommt nicht von ungefähr, dass Israel jetzt akzeptiert, was es noch vor einer Woche abgelehnt hatte: die Stationierung einer internationalen Truppe, womöglich von der NATO geführt, im Südlibanon. Die müsste mit weit reichenden Befugnissen ausgestattet sein und ein hinreichend großes Territorium kontrollieren. Sie wäre unzweideutig politisch-militärisch Partei: gegen die Hisbollah und gegen deren Mäzene in Damaskus und in Teheran. An der Entsendung einer solchen Truppe führt womöglich auf mittlere Sicht kein Weg vorbei; sie ist eine Option. Aber es ist klar, dass sich die Entsendestaaten dann politisch exponierten und in einem bisher kaum gekannten Maß engagierten. Israel wird sich jetzt keiner 'Lösung' fügen, die schon den Keim der nächsten Gewalteruption in sich trägt. Die Ernte für einseitige Rückzüge in der Vergangenheit war äußerst blutig. Die Staatengemeinschaft in Gestalt des UN-Sicherheitsrates kann nicht noch einmal so etwas verlangen wie die Entwaffnung libanesischer Milizen - sprich: der Hisbollah -, ohne den geeigneten Mechanismus bereitzustellen. Man muss hoffen, dass die Krisendiplomatie die Schlüssel zur Krisenentschärfung findet und dazu die passenden Schlösser, zum Beispiel das in Syrien."

Der Tagesspiegel, Berlin

"Die vielen Außenminister geben sich seit Sonntag in Jerusalem und umliegenden den arabischen Hauptstädten die Klinken in die Hand. Einen Waffenstillstand werden sie diese Woche nicht aushandeln, und einige von ihnen, insbesondere Condoleezza Rice, wollen ihn auch gar nicht zustande bringen. Die Kämpfe, Bombardements und der Raketenbeschuss werden demnach insgesamt mindestens drei Wochen dauern, bis die ausländischen Politiker den Kriegern auf beiden Seiten Einhalt gebieten. Die unschuldige Zivilbevölkerung im Libanon, insbesondere im grenznahen Landessüden, und die in Nordisrael, vor allem in Galiläa, muss noch mindestens eine Woche bis zehn Tage warten, bis sie ihre Flucht abbrechen oder aus den Schutzräumen wieder herauskommen kann. Für George W. Bush und Condoleezza Rice ist Israels Kampf gegen die Hisbollah nur eine Schlacht in ihrem Krieg gegen den weltweiten Terror, in diesem Fall gegen die 'Achse des Bösen' Iran-Syrien-Hisbollah. Kein Grund also für die Schutzmacht USA, Israel zu stoppen, solange es die 'Dreckarbeit' macht und zumindest seine Minimalziele noch nicht erreicht hat. (...) Noch mindestens eine Woche Krieg steht bevor. Eher noch mehr, denn erst einmal müssen die Verhandlungen richtig anlaufen. Und nicht nur wie wir im Moment erleben: Diplomatie zwar auf Hochtouren, aber meist im Leerlauf..."

Le Figaro

"Wenn sie heute in Tel Aviv landet, am dreizehnten Tag des Krieges, wird Condoleezza Rice einer heiklen Gleichung gegenüberstehen. (...) Jedenfalls ist sich die amerikanische Außenministerin darüber im Klaren, dass sie in diese Gleichung einen Faktor aufnehmen muss, auf den sie gerne verzichtet hätte, nämlich Syrien. Bleibt nun abzuwarten, was Damaskus als Gegenleistung für seinen guten Willen verlangt. Syrien hat schon begonnen, darauf eine Antwort zu geben. Es verlangt einen 'sofortigen' Waffenstillstand - um seine Investitionen zu schützen - und droht, bei einem Einmarsch Israels in den Libanon selbst an dem Krieg teilzunehmen."

Liberation, Paris

"An der diplomatischen Front kommt millimeterweise die Idee einer internationalen Puffertruppe voran. Diese Umrisse einer Lösung kündigen aber noch kein baldiges Ende der Auseinandersetzungen an. Vor einem Ende der Krise versucht jeder, auf dem Terrain die beste Ausgangsposition einzunehmen, und zwar militärisch wie politisch. Vielleicht kann die Rundreise der amerikanischen Außenministerin die Dinge jetzt etwas bewegen? Vielleicht auch nicht. Sicher ist konkret nur, dass die Liste der Opfer und der Evakuierungen sich in den kommenden Tagen noch verlängern wird."

"L'Humanité" (Paris):

"Einen ehrenwerten Weg aus der Krise könnte es geben, wenn Israel die Aufstellung einer internationalen Friedenstruppe an der Grenze akzeptierte. Das garantierte seine eigene Sicherheit und die seines nördlichen Nachbarn. Dann müsste Israel dem Austausch von Gefangenen zustimmen. Die Schlüsselfrage bleibt dabei aber eine Lösung für die israelisch-palästinensische Krise. Hier ist zu viel Zeit verloren gegangen und zu viel Blut vergossen worden. Die Verantwortung den Palästinensern gegenüber wird Israel nicht abgeben können, indem es sich auf den Weg nach Damaskus begibt und nebenbei Beirut zerstört."

La Repubblica

"Die Entscheidung Israels zur Unterstützung einer Stationierung der internationalen Truppe kommt nicht von ungefähr. Diese Entscheidung ist vor allem aus der Einsicht in die Schwäche der libanesischen Streitkräfte geboren, die nicht in der Lage zu sein scheinen, die Hisbollah-Milizen zu entwaffnen und damit die Resolution 1559 der Vereinten Nationen zu erfüllen. Aber das ist keine Neuigkeit. Hätte sie die Autorität und Fähigkeit zur Entwaffnung gehabt, hätte es die Regierung in Beirut bereits getan. Der Punkt ist, dass die israelische Regierung sich bewusst wird, dass die Zeit für die Diplomatie knapp wird und dass diese nicht mit der Zeitrechnung der Armee übereinstimmt, die Wochen und Monate zur 'Säuberung' des Südlibanon von der Hisbollah verlangt hat, nicht zuletzt angesichts der Entschlossenheit und der Fähigkeit zum Widerstand der Schiitenmilizen in diesen ersten Kriegstagen."

"Kommersant" (Moskau):

"Die Einheit des Libanon und der Mythos Hisbollah halten nur für die Zeit des Krieges. Danach wird eine quälende Suche nach der Antwort auf die Frage einsetzen, wer die Schuld an diesem Krieg trägt. Es werden sich wohl auch diejenigen zu Wort melden, die in der Hisbollah keine Verteidiger des Libanon, sondern Terroristen sehen, die den Konflikt mit Israel erst provoziert haben. Durch diese Erkenntnis drohen der libanesischen Gesellschaft neue Erschütterungen. Dabei hatte sie gerade erst nach langem Bürgerkrieg zur Einheit gefunden."

Die Welt

"Die Blauhelm-Einsätze haben eine große Gemeinsamkeit. Bewirken konnten und können sie wenig bis nichts. Einer der schwärzesten Tage der Blauhelm-Geschichte war 1995, als niederländische UN-Einheiten auf dem Balkan die Einwohner von Srebrenica nicht schützen konnten und es in der Folge zu dem Massaker bosnisch-serbischer Truppen kam. Aktuell deutlich wird die Unfähigkeit dieser internationalen Verbände angesichts der seit zwei Wochen stattfindenden Kämpfe zwischen der israelischen Armee und islamistischen Milizen. Die Blauhelme können nur die Köpfe einziehen, wenn Raketen auf Israel abgeschossen werden und die israelische Luftwaffe danach zum Gegenschlag ausholt. Verhindern können sie nichts. Bis heute herrscht am Sitz der UNO in New York und genauso gut in europäischen Hauptstädten die romantische Vorstellung vor, man müsse nur leicht bewaffnete Soldaten mit blauen Helmen in Krisengebiete schicken und die Konflikte würden sich dann in Wohlgefallen auflösen. Doch nicht zuletzt die Auseinandersetzungen im Nahen Osten zeigen, dass die Rechnung nicht aufgeht. Israel zum Beispiel hat mit allen UN-Missionen nur schlechte Erfahrungen gemacht."

Financial Times Deutschland

"Die Logik der militärischen Eskalation ist fatal: Es ist einfacher, den Konflikt zu beginnen, als ihn wieder zu beenden. Die Regierung von Ehud Olmert hat sich mit gutem Grund zum Schlag gegen die Hisbollah entschieden, die die Zeit seit dem Abzug Israels aus Libanon vor sechs Jahren zur eigenen Aufrüstung nutzte. Israel wird erst dann den Kampf einstellen, wenn es in der Wahrnehmung der arabischen Welt der 'Sieger' und die Hisbollah entscheidend geschwächt ist. Die Israelis sehen ihren in mehreren Kriegen erworbenen Ruf der militärischen Unbesiegbarkeit als Lebensversicherung in einer Umgebung, in der ihr Existenzrecht in Frage steht. Wann sich das Fenster für einen Waffenstillstand, gar Frieden öffnet, ist derzeit nicht zu erkennen. Jede Vermittlertätigkeit ist vor diesem Hintergrund zum Scheitern verurteilt."

La Stampa "Die NATO besitzt die militärischen Möglichkeiten und die politische Glaubwürdigkeit, um im Libanon das zu wiederholen, was sie in Afghanistan derzeit macht, nämlich eine Mission der europäischen Verbündeten mit hohem Risiko zum Schutz der Unabhängigkeit einer jungen Demokratie, die von Milizen bedroht wird. Die Taliban stellen für die Regierung in Kabul die gleiche Gefahr dar wie die Hisbollah-Milizen für Beirut: In beiden Fällen handelt es sich um terroristische Gruppen, die ein islamisches Kalifat errichten wollen und die zu jeder Form von Gewalt bereit sind, um ihre Ziele zu erreichen. Aber eine Stationierung der NATO im Libanon mit der Aufgabe, der UNO-Resolution 1559 Respekt zu verschaffen - Souveränität des Libanons, Ende der syrischen Einmischung sowie Entwaffnung der Hisbollah - kann nur mit einem breiten Übereinkommen zwischen den gemäßigten arabischen Staaten (Jordanien, Ägypten und Saudiarabien) und den Europäern gelingen, die aufgerufen sind, die Mehrheit der Truppen zu stellen." (APA/dpa)