400.000 Waisen: Durch den Genozid von 1994 und die AIDS-Pandemie leben nirgendwo sonst mehr Waisenkinder als in Ruanda.
Foto: CARE
Die Waisenkinder selbst wählen ihre MentorInnen aus. In einem Land, in dem ohnehin schon 65 Prozent der Menschen unter der Armutsgrenze leben, sind die Kinder besonders gefährdet, völlig zu verarmen oder von NachbarInnen und Verwandten ausgebeutet zu werden.
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Als Sinzumunsi und seine drei Geschwister von den CARE-MitarbeiterInnen gefunden wurden, lebten sie in einem Erdloch an einem Hügel am Rande des Dorfes. Sinzumunsi ist 17, seine Eltern sind 2001 an AIDS gestorben, seitdem mussten die vier sich alleine durchschlagen.

Fast ein Drittel aller Kinder in Ruanda sind Voll- oder Halbwaisen – über 400.000 sind es, bei einer Gesamtbevölkerung von acht Millionen. 76 Prozent der jugendlichen Familienvorstände sind Mädchen, im Durchschnitt leben bis zu fünf Kinder in einem Haushalt. Ihre Eltern wurden während des Bürgerkriegs 1994 ermordet, sitzen im Gefängnis oder sind an AIDS gestorben. Früher wurden Waisen von anderen Familien aufgenommen – auch dieses soziale Netz hat der Krieg zerstört. Von Verwandten und Nachbarn werden sie, aus der Not der Armut heraus, häufig nur als zusätzliche Arbeitskraft wahrgenommen. Ihre Rechte kennen die Kinder nicht, oft beherrschen sie nicht einmal grundlegendste Fähigkeiten.

MentorInnenprojekt

Vor sieben Jahren begann die Hilfsorganisation CARE, sich der Waisenkinder in Ruanda anzunehmen: In der Region Gitamara, wo laut UNICEF besonders viele Kinder als Familienvorstände leben, werden sozial motivierte Dorfmitglieder zu MentorInnen, den "Nkundabanas", ausgebildet: "Nkundabanas sind übersetzt die, die Kinder lieben", erklärt Christina Stummer, Programmleiterin bei CARE Österreich. "Sie betreuen die jugendlichen Familienvorstände in ihrer Entwicklung, ermuntern sie, die Schule oder den Ausbildungsplatz zu besuchen, hören ihnen zu, sind darin geschult, Traumata zu erkennen und schützen die Kinder vor Missbrauch und Ausbeutung."

Allein in Gitamara hat CARE fast 500 KindermentorInnen trainiert. Ihre Ausbildung reicht von Theorie wie der Kinderrechtskonvention und den Gesetzen Ruandas über Kinderwohlfahrt bis zu Konfliktmanagement und Beratungstechniken. Wer Nkundabana wird, entscheiden die Kinder selbst: Am Anfang des Projekts wird die ganze Dorfgemeinde gebeten, gemeinsam mit CARE Kinderhaushalte zu lokalisieren. Dann werden die betroffenen Kinder eingeladen, sich mit den wichtigen Persönlichkeiten des Dorfes zu treffen um mit ihnen festzulegen, welche Aufgabe die Nkundabanas zu erfüllen haben und wer überhaupt dafür in Frage kommt. "Für die MentorInnen ist es eine große Ehre, Nkundabana zu werden", sagt Christina Stummer. "Die meisten sind selbst sehr arm und haben eine eigene Familie zu versorgen, aber sie fühlen sich dazu verpflichtet, sich der befürftigen Kinder anzunehmen und gewinnen damit an Ansehen in der Gesellschaft."

Hilfe zur Selbsthilfe

Mittlerweile ist das CARE-Projekt in der Endphase – ganz nach dem CARE-Motto "Hilfe zur Selbsthilfe" werden die Nkundabanas in Gitamara nun darin geschult, selbst Mittel für ihr Projekt aufzutreiben – sie lernen Grundlagen des Projektmanagements und die Basics des Fundraisings: "Wir wollen die Organisationen vor Ort stärken, damit das MentorInnenprojekt dann auch ohne uns gut weiterläuft", sagt Christina Stummer. Das Nkundabana-Modell sei bereits so erfolgreich, dass die Regierung in Betracht ziehe, es im ganzen Land einzuführen: Das Projekt ist zur offiziellen Plattform geworden, über die die Menschen mobilisiert werden können, für die Rechte der Kinder einzutreten. Die Dorfgemeinschaft und lokalen Behörden miteinzubeziehen sei deshalb sehr wichtig, weiß Elie Nduwayesu, CARE-Programm-Koordinator in Gitamara, denn: "Die Gemeinschaft muss die Kinder nachhaltig unterstützen, sonst haben die Kinder keine Chance. Sie aber sind die Zukunft Ruandas, also müssen jene, die ihnen am nächsten sind, sich um sie kümmern." (isa)