Sofia - In Bulgarien hat eine internationale Konferenz die sozial-liberale Regierung zur Öffnung aller kommunistischen Geheimdienstakten des Balkanlandes aufgefordert. Anderenfalls werde die Abhängigkeit von der früheren Staatssicherheit vor dem EU-Beitritt Bulgariens nicht gelöst werden, hieß es in einem Appell, der zum Abschluss des Forums am Freitag in Sofia von den bulgarischen Teilnehmern unterzeichnet wurde.

In die frühere Staatssicherheit verwickelte Bulgaren könnten sogar EU-Kommissare werden oder in den EU-Institutionen sitzen, warnte Maria Cappone, bulgarische Parlamentsabgeordnete und EU-Beobachterin. "Die Staatssicherheit ist keine Vergangenheit", betonte der Vorsitzender der bulgarischen Medienkoalition, Georgi Losanow. Er verwies auf eine "Verbindung der Geheimdienste mit dem gegenwärtigen Mafia-Umfeld" in Bulgarien.

Einigung der Parteien erwünscht

"Keine Partei gewinnt, die über die Vergangenheit schweigt", sagte der frühere deutsche Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Joachim Gauck. Er rief die über die Dossiers der früheren Staatssicherheit zerstrittenen bulgarischen Parteien dazu auf, sich über eine "ablehnende Haltung gegen die Diktatur" zu einigen, um der Öffentlichkeit Zugang zu allen Geheimakten bei "Achtung von Bürger- und Menschenrechten" zu ermöglichen. Auch die EU-Parlamentsabgeordnete Els de Groen (Fraktion der Grünen) setzte sich energisch für die Öffnung aller kommunistischen Geheimdossiers dem EU-Beitrittsland ein.

"Wir müssen mit der Vergangenheit brechen, damit wir unsere EU-Partner mit gehobener Stirn anschauen können", meinte der frühere bulgarische Vizepräsident Todor Kawaldschiew, der selbst zu den Opfern der kommunistischen Staatssicherheit gehört. Er lehnte die Vorstellung der regierenden Sozialisten (Ex-Kommunisten) von den "Patrioten" unter den Geheimdienst-Agenten ab, die ihrem Vaterland gedient haben sollen.

"Unbegründete Verzögerung"

Zuvor hatte sich Innenminister Rumen Petkow für eine Offenlegung der Geheimakten ausgesprochen, bei der aber unbedingt zwischen Agenten, die für die "nationale Sicherheit" gearbeitet und denen, die ihre Nachbarn bespitzelt haben, unterschieden werden müsse. Der sozialistische Minister räumte ein, dass sich die Öffnung der Geheimakten in Bulgarien über einen "unbegründet langen Zeitraum von 15 Jahren verzögert" habe. Die Akten könnten nicht einfach "auf einen Lastwagen geladen und auf dem Zentralen Markt verteilt" werden, meinte Petkow zu immer lauter werdenden Forderungen nach einer Veröffentlichung aller Dossiers, auch im Internet.

Auf dem Forum in Sofia tauschten Experten aus Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Rumäniens ihre Erkenntnisse und Erfahrung beim Umgang mit kommunistischen Geheimdienstakten mit bulgarischen Nicht-Regierungsorganisationen aus. Obwohl 2003 angesichts des NATO-Beitritts Bulgariens ein Gesetz über die Geheiminformation in Kraft getreten war, das auch die Akten der früheren Staatssicherheit umfasst, blieben sie für die Öffentlichkeit praktisch unzugänglich. (APA/dpa)